Vorsicht: Dieser Artikel kann Spuren von (Selbst-)Ironie enthalten. Lesen und Nachahmung des Auftritts geschehen auf eigene Gefahr.
Eigentlich hatte ich mich auf diesen Auftritt gefreut: Einschulungsfeier am Sonntagnachmittag als Familienfest, etwa 20 Kinder, die ich mit meinem Stammprogramm „Zauber?Kinder!“ bespaßen sollte. Auftrittsort ein größeres Zelt im Garten mit Biertisch-Bänken für die Kinder. Die Feier sollte von 14 bis 18 Uhr gehen, mein Auftritt war für 16.00 Uhr geplant. Also alles in allem Bedingungen, mit denen man als mobiler Kinderzauberer zufrieden sein kann.
Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Ich war wie verabredet kurz vor vier vor Ort und konnte die letzten Meter in den Garten nach Gehör gehen. Die Kinder waren guter Laune und entsprechend laut.
Überraschung!
Als ich den Garten dann betrat, staunte ich erst einmal: Statt des Festzeltes stand dort eine Hüpfburg. Ist ja auch nett, passen nur keine Biertisch-Bänke rein. Die waren allerdings auch gar nicht vorhanden. Stattdessen stand ein großer Tisch mit Stühlen im Garten, vollgeladen mit Essen. Daran saßen ca. 15 Erwachsene. Die ca. 20 Kinder tobten auf oder an der Hüpfburg.
Ich wurde freundlich begrüßt und auch der im Vorgespräch bestellte Tisch, „Campingtisch, so ca. 70 cm hoch“, wurde gebracht – er war allerdings geschrumpft zu einem ca. 45 cm hohen Couchtisch. Für meine Körpergröße von 185 cm etwas niedrig, um den Requisitenkoffer darauf abzustellen. Aber Bewegung ist ja gesund und Bücken stärkt die Rückenmuskulatur. Der Tisch wurde an den vorgesehenen Auftrittsplatz gestellt, nämlich genau in die Mitte des Gartens. Vor mir die Hüpfburg, hinter mir der Tisch mit den Erwachsenen.
Die blieben auch zunächst dort sitzen, genau hinter mir. Störte mich nicht weiter, mein Programm ist für alle (schlechten) Bedingungen geeignet. Ich dachte mir nur: „Na, die werden nicht viel sehen, aber ich bin ja auch für die Kinder engagiert.“ Immerhin merkten die Erwachsenen später selbst, dass die Sicht auf die „Bühne“ von dort ganz schlecht war und stellten sich dann seitlich auf.
Die Kinder setzten sich auf die Matten vor der Hüpfburg, die 3 größeren (so ca. 12 Jahre alt) vorne, die kleineren im Alter von 2 – 7 daneben und dahinter. Ich konnte aber alle ansehen und sie mich dann wohl auch. Das Gebläse der Hüpfburg lief die ganze Zeit weiter, wäre ja auch schade, wenn die sonst einstürzen würde. Außerdem war am Ende des Gartens „Gegenlärm“, weil dort eine Straße verlief, auf der immer mal ein Auto vorbeirauschte.
Und Corona schien in dieser Welt auch nur eine untergeordnete Rolle zu spielen – die Abstände waren gering. Andererseits: Bei uns in Bremerhaven ist inzwischen Kontaktsport mit bis zu 50 Personen wieder erlaubt. Aus dieser Logik dürften also auch ca. 35 Personen im Garten, die ohne direkten Zweikampfkontakt waren, auch nicht verboten sein.
Tja, und nun? Was tun bei diesen Bedingungen? Auf Änderungen bestehen, gleich wieder gehen? Oder einfach auftreten?
Der Auftritt
Da die Kinder sich offensichtlich über den Zauberer freuten und auch die Erwachsenen sehr nett waren, hab ich so getan, als wenn alles bestens wäre und habe mein Programm ganz normal gespielt. Das klappte auch wirklich gut, obwohl mich eines der zweijährigen Kinder mehrfach auf der „Bühne“ besuchte. Ich hab ihm jedes Mal erklärt, dass es sich hinsetzen müsse – was es zunächst auch tat, später hat ein älteres Kind es einfach auf den Schoß genommen.
Ein anderes kleineres Kind brachte mir zu Joros Münzwanderung auch prompt ein 5-Cent-Stück, das ich gar nicht brauchte. War aber trotzdem nett. Und ein Mädchen hat so intensiv den Zauberstab geschwungen, dass es mir damit zwei Mal versehentlich auf meine Armbanduhr geschlagen hat. Wir hatten also viel Spaß zusammen. Ein ca. 3-jähriger fragte so nach ¾ der Vorstellung: „Wann dürfen wir wieder spielen?“ Ich antwortete ihm, dass noch zwei Kunststücke kommen, worauf er sich prompt wieder hinsetzte. Gut erzogen.
Als ich nach ca. 40 Minuten fertig war (mit der Stimme und der Vorstellung, meine Nerven waren immerhin erstaunlich gut intakt), riefen die Erwachsenen „Zugabe! Zugabe!“ Da die Kinder nicht einstimmten, beschloss ich nichts gehört zu haben und habe eingepackt.
Auswertung
Und wie bewerte ich den Auftritt jetzt – 3 Tage später?
Trotz allem hat er mir Spaß gemacht und den Kindern auch, sonst hätten sie wohl nicht bis zum Ende mitgemacht, direkt vor der aufgeblasenen Hüpfburg. Die Stimmung war locker, gelöst und gut und die paar Querschläge verbuche ich einfach unter der Rubrik „gut gemeint, aber nicht richtig umgesetzt“. Unter dem Strich war das die praktische Umsetzung meiner 4 großen R: Respekt vor den Kindern und Erwachsenen (sie sind eben so, wie sie sind), Ruhe – egal was passiert, Regeln wurden eingehalten, denn alle haben gesessen und zugesehen, Rücksicht auf das Verhalten kleinerer Kinder. Der Auftritt war eben so, wie er unter diesen Umständen werden konnte – und damit waren letztlich alle zufrieden.
Und das Honorar habe ich als Schmerzensgeld genommen, es war sowieso gering, weil ich nur den Geburtstagstarif für bis zu 10 Kinder genommen hatte statt des Großparty-Preises. Ich hatte in dem Vorgespräch dummerweise den Preis genannt, bevor ich nach der Personenzahl gefragt hatte – und war dabei von weniger Kindern ausgegangen…
Das wäre doch eine neues Berufs-Feld: Der hüpfende Zauberer. 😉
Drei Erfahrungen von mir dazu:
a) Alle zwei Jahre trete ich bei einen Wohltätigkeitsveranstaltung des Vereins „Gemeinsam mit Behindernden“ im Rodgau auf (Immer im jährlichen Wechsel mit einer Theatergruppe). Das Kinderfest hat Hüpfburgen, Kistenrollbahn, Spiele und viele verschiedene Bastelaktionen. Und zum Abschluss gibt es dann immer einen Zauber -Vorstellung, zu der alle Kinder vor einen kleinen Bühne zusammengetrommelt werden. Und während der 45 Minuten werden dann Hüpfburgen etc. abgebaut.
b) Ich habe immer ein kleines Kästchen mit einem Notfallprogramm dabei. Wann immer die Bedingungen für mein ’normales‘ Programm nicht stimmen oder ich mal spontan Zaubern will, kommt dieses zum Einsatz: Es ist umringt spielbar, alltersunabhängig, braucht keinen Tische etc. und kann sofort aus der Tasche gespielt werden. Dauer ca. 30 Minuten.
c) Wenn ich die Sitzordnung der Kinder vor der Vorstellung sortiere, dann sortiere ich Erwachsene immer mit. Und in meinem Rücken sitzt keiner. Nicht wegen den Tricks, sondern weil ich es nicht mag. Schon in der Schule konnte ich es nicht leiden, wenn Lehrer*innen hinter mir standen und mir über die Schultern schauten.
Was den Tisch angeht:
Kids Hoch 5, Seite 94, Kapitel „Independence Day“. 😉
Tja, das hätte ich mal vorher lesen sollen. Aber es war so verlockend, alles vom Veranstalter gestellt zu bekommen… 🙂