Ulrich Rausch
Alles Ende ist schwer…
Jedes Zauberprogramm besteht aus mehreren Einzelteilen, die zusammengefügt sind zu einem großen Ganzen. In der folgenden kleinen Serie soll es um die Betrachtung der einzelnen Elemente, ihre Bedeutung und wie man sie zusammenfügen kann gehen. Und wir fangen, ganz logisch, mit dem Ende an.
Aller ANFANG IST SCHWER – Das Ende aber auch
Es gibt genau zwei Möglichkeiten, wie man ein Kinderprogramm komponieren kann: Entweder öffnet man den Zauberschrank, und führt die Kunststücke so vor, wie sie gerade aus dem übervollen Schrank herausfallen, oder aber man macht sich Gedanken, wie und warum man die Kunststücke in einer bestimmten Weise anordnet.
In seinem neuen und empfehlenswerten Buch „KINDER ZAUBERN MIT“ (2020) beschreibt Volkmar Karsten seinen Programmaufbau. Und dabei stellt er vollkommen richtig fest, dass das Programm schon vor dem eigentlichen Programm beginnt, nämlich wenn die Kinder den Theaterraum betreten. Schon diese Pre-Show sollte inszeniert sein.
Für mich gilt das gleiche für das Ende, bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Kinder den Theaterraum wieder verlassen haben. Im Folgenden werde ich mich aber trotzdem ausschließlich auf das Bühnengeschehen beziehe und fange mit dem ENDE an. Die Gründe dafür sind ganz einfach: Der letzte Eindruck, den die Kinder mitnehmen, ist wahrscheinlich der, den sie weitererzählen werden, der, der am längsten in ihrem Gedächtnis bleibt. Deshalb würde ich genau diesem besondere Aufmerksamkeit widmen. Zweitens sehe ich ein Programm als eine Einheit, auch wenn es aus verschiedenen Einzelstücken besteht. Alles läuft auf diesen Endpunkt zu. Auch wenn man keine durchkomponierte monothematische Geschichte hat, kann man das komplette Programm auf diesen Endpunkt ausrichten.
Was man so macht
In einem zauberhistorischen Vortrag hat der Referent Dr. Will Houston einmal die Frage gestellt, was das gefährlichste Zauberkunststück er Welt sei. Die Antwort war so überraschend wie auch schockierend: Die Drawer Box. In einem englischen Theater Anfang des 20. Jahrhunderts hat ein Kinderzauberer am Ende der Vorstellung mit einer Drawer-Box Bonbons erscheinen lassen. Kinder wollten die Bühne stürmen um auch ein Bonbon zu bekommen. Um das Chaos etwas zu mindern wurden die Türen auf dem Rang abgeschlossen, was die Situation nur verschlimmerte. In der entstandenen Massenpanik kam es zu Toten, einige stürzten vom Balkon. Und damit ist die Drawer Box das gefährlichste Kunststück in der Geschichte.
Das Verteilen von Geschenken, insbesondere von Süßigkeiten, am Ende der Vorstellung ist bei Kinderzauberern sehr beliebt. Und ich gestehe offen: In meinen Anfangsjahren hab ich das auch gemacht. Ich wusste es damals nicht besser (oder hatte schlechte Vorbilder?). Eine mit Bonbons verklebte doppelte Taubenkasserolle (es war damals sehr heiß in der Sonne) habe ich mir als Mahnmal meiner Sammlung aufgehoben. Es kann eigentlich nur zwei Kategerien für das Verteilen am Schluss geben: Man möchte sich bei den Kindern bedanken, dass sie zugeschaut haben, sie mit Süßigkeiten bestechen (Wie toll war der Zauberer doch) oder man nutzt dies als Ordnungs-Hilfsmittel.
Dazu werden sie natürlich nicht einfach wie beim Karneval ins Publikum geworfen, was Chaos verursachen würde, sondern man steht dann an der Tür und jedes Kind darf beim Herausgehen einmal zugreifen. Auf diese Weise, gleich ob man selber dann an der Tür steht oder eine andere Person, hat man den Focus der Kinder weg von der Bühne gelenkt, in der Hoffnung, dass es zu keinem Bühnensturm kommt, weil die Kinder sich die teuren Requisiten noch einmal ansehen wollen, sondern, dass sie jetzt gierig sind, auch etwas abzubekommen und deshalb lieber zur Türe eilen.
Fortsetzung folgt
Hallo, ich persönlich verwende die Drawer Bix nur bei Kindergeburtstagsfeiern. Zuerst ist nicht d drinnen, dann lasse ich ein Seidentuch mit der Aufschrift Ende erscheinen und ganz zum Schluss bekommen die Kinder etwas Süßes. Natürlich mit Absprache der Eltern vor meinem Auftritt. Bei Größeren Veranstaltungen für mich ein No Go. Da ist das Chaos vorprogrammiert.