Ulrich Rausch
Spannen und Entspannen
Ich möchte noch einmal zur Musik zurückkommen, dieses mal allerdings nicht die klassische, weil ich glaube, dass man bei ihr sehr viel auch für die Zauberkunst lernen kann. Der amerikanische Produzent und Komponist David Forster erzählte einmal, wie das Stück „Last Dance“ für Donna Summer (31.12.1948 – 17. 5.2012) entstand. Ursprünglich wollt er es als Up tempo – Stück produzieren, bis ihm jemand vorschlug, es als Ballade anfangen zu lassen. Er fand, dass dies die dümmste Idee ist, die man überhaupt haben kann. Das Stück wurde zu einem Welterfolg, genau weil es als eine Mischung aus beidem produziert wurde.
Ich möchte anhand dieses Liedes zeigen, das Abwechslung, das Gegensätze wesentliche Elemente sind, um etwas unterhaltsam, spanend zu gestalten. Alles immer nur in der gleichen Tonlage, in der gleichen Geschwindigkeit oder Lautstärke wird auf Dauer langweilig und die Zuhören und -seher können das Interesse verlieren.
Für die Planung eines Kinderprogramms bedeutet dies, dass man sich auch Gedanken darüber machen sollte, wie man einen solchen Wechsel gezielt einsetzten kann. Ich habe eine – ganz old school – Karteikarten-Datei mit den Kunststücken, die ich im Kinderprogramm einsetze. Eine Information, die sich auf jeder Karte findet, ist mit einem Pfeil markiert. Entweder zeigt der Pfeil nach oben oder nach unten. Damit ist gemeint, dass es Kunststücke gibt, die mehr beruhigend wirken (Pfeil nach unten = Cool down) und Kunststücke, die aktivieren, Energie freisetzen, powervoll sind (Pfeil nach oben = die Stimmung geht durch die Decke). Bei der Zusammenstellung eines Programms achte ich darauf, dass höchstens zweimal hintereinander ein Pfeil mit der gleichen Richtung hintereinander kommt.
Auf diese Weise schaffe ich ein abwechslungsreiches Programm, und verhindere auch, dass ich die Zuschauer verliere (mangelndes Interesse) oder – wenn zu viele Hoch-Pfeil direkt hintereinander folgen – ich die Kontrolle über das Publikum verliere, weil sie von mir so hoch gepuscht wurden.
Der Würfelkasten
Im vorigen Teil hatte ich ja schon erwähnt, dass der zweite Trick der Eröffnungssequenz der Würfelkasten ist. Ein Hoch-Pfeil Kunststück. Das Schöne daran ist, dass ich hier sehr genau dosieren kann, wie hoch die Stimmung gehen soll. Ich kann zu Beginn einer Vorstellung ungefähr einschätzen, wie ‚lebendig‘ mein Publikum ist. Alter der Kinder, Anzahl der Zuschauer, Veranstaltungsort und das Programm, das vor und nach meinem Auftritt stattfand und noch stattfinden wird, sind für mich Orientierungspunkte dazu. Wenn ich den Eindruck habe, dass das Publikum einigermaßen träge ist, werde ich es mehr puschen, wenn ich dagegen den Eindruck bekomme, dass die schon mit viel Power ankommen, werde ich dass nur sehr dosiert machen.
Meine Präsentation baut darauf auf, dass ich die Aufmerksamkeit der Kinder offiziell teste und auffordere, mir zu sagen wo der Würfel ist. Durch nicht verstehen oder falsch verstehen vermeide ich, die Seite zu öffnen, hinter der sie den Würfel vermuten. Und hier habe ich die Möglichkeit, das Verhalten der Kinder zu dosieren. Je länger ich mit Ausreden etc. das Öffnen herauszögere, umso heftiger werden sie es einfordern. Oder anders gesagt: Je dümmer ich mich anstelle, umso wilder, herausfordernder werden die Kinder. Wenn ich das will, dann spiele ich das auch extrem aus. Wenn es mir nicht nötig erscheint, öffne ich sehr schnell die Klappe und es geht weiter. Entspannen ist dann angesagt, wenn der Würfel in dem Zylinderhut erscheint.
Die Auflösung, das überraschenden Erscheinens (nur deshalb habe ich übrigens bei der Einführung den Hut dabei, ansonsten hat er nur noch die Funktion des Ablagebehälters) beendet die Hoch-Pfeil Phase mit einem Applaus. Ich schließe daran sofort ein Kunststück an, dass ruhig ist. Auch ich brauche etwas Entspannung.
Fortsetzung folgt