Von Roman Ertl
Was alles wichtig ist für eine gute Bühnenvorstellung hat Christian Bischof in seinem neuen Buch „Diamonds of Performance“ zusammengetragen. Dabei werden über 60 Teilbereiche, von „Vorführsituation“ über „Spannungsbogen“ bis „Trickhandlung außerhalb sensibler Phase“ benannt, mit denen jeder Familienzauberer seine Stage-Performance betrachten und optimieren könnte. Alle Elemente zusammen ergeben eine gute Vorstellung. Doch es werden, auch von Christian, drei davon herausgestellt und Juan Tamariz betont die Reihenfolge ihrer Wichtigkeit. Für eine Familiendarbietung ist diese Hierarchie bei vielen Entscheidungen m. E. maßgebend.
1. Das Allerallerallerwichtigste ist die Persönlichkeit des Zauberers
Habe ich allen Kindern und Erwachsenen Wertschätzung gezeigt und sie so akzeptiert, wie sie sind? Oder fand ich sie erst gut als sie mich auch sympathisch fanden und applaudierten? Konnte ich mich in mein Publikum einfühlen und habe ihre Wünsche nach Wunder oder Spaß oder Mitmachen o.a. erfasst? War ich ehrlich in meinem Umgang mit ihnen? Habe ich genug Zeit und Raum für Reaktionen zugelassen (und ausgehalten)? Habe ich bei Störungen im Publikum Person(en) von der Ursache getrennt? usw.
2. Das Allerallerwichtigste ist die Routinenauswahl
Besitzen die Routinen einen magischen Moment? Vermag die Routine alle Altersstufen anzusprechen? Sind die Requisiten und Hilfsmittel angemessen? Wird für Kinder nichts Überwältigendes gezeigt? Sind die Themen für alle greifbar und von Bedeutung? Gibt es einen nachvollziehbaren klaren Verlauf der Handlung? Trägt die Routine die Atmosphäre? Ist die Abfolge der verschiedenen Routinen zielführend? usw.
3. Das Allerwichtigste ist die Art der Präsentation
Habe ich alle Kinder und Erwachsenen einbinden können? Wurden „Elefanten“ (nach Helge Thun), also Störungen, die im Raum standen beseitigt? Konnten alle ungehindert sehen und zuhören? Habe ich klar kommuniziert? Konnten verschiedene Gefühle angesprochen werden? Konnte ich die Leitung und Lenkung auf der Bühne umsetzen? uvm.
Wer jetzt sagt, alles wäre ja gleich wichtig, verkennt die Realität, die uns zu Entscheidungen zwingt, wo wir eine Wichtigkeit vor eine andere stellen müssen. Z. B. bei Störungen und Problemfällen während des Auftritts. Wenn sich z. B. ein Kind auf dem Rücken seines Vordermannes aufgrund erhöhtem Kolagenuß` erbricht, wie verhalte ich mich da? Ziehe ich die Routine bis zum Ende durch, weil ich gerade beim Höhepunkt meiner Spannungskurve angelangt bin? Dann steht „Präsentation“ an erster Stelle.
Nehme ich einen Auftrag bei einem Auftraggeber nicht an, weil ich weiß, dass ich dort heucheln oder mich verbiegen muss, dann platziere ich meine „Persönlichkeit“ an die erste Stelle. Investiere ich mehr Zeit (und Geld) in die Suche nach dem „optimalen“ Trick oder in eine Rückschau sowie Beobachtungen meiner Zauberaktivitäten? Kopiere ich eine Routine oder setze ich mich selbst als Maßstab bei ihrer Umsetzung?
Schreibt gerne Kommentare über Eure Wichtigkeiten.
Hanseatisches Moin an alle,
oha, was ist das Wichtigste ? Solche Universal-Fragen sind schwierig. Frag das mal einen Fußballtrainer. Oder einen Koch. Hier sogar die Frage, was ist das Allerallerallerwichtigste ? Mich hat das an eine Gewissenfrage bei der Verhandlung, ob man als Kriegsdienst- verweigerer anerkannt wird – ja, Jüngere, soetwas gab es in den 80er Jahren noch – erinnert: ‚Sie sehen auf dem Dach eines Kindergarten einen Mann mit einer Waffe, offensichtlich möchte er in den Kindergarten eindringen und Geiseln nehmen. Sie haben eine Waffe, was tun Sie ? Also, was ist jetzt für Sie das Wichtigste. Oder: Sie machen einen Ruderausflug mit ihren beiden Kindern, Zwillinge, 5 Jahre alt, können beide nicht schwimmen, das Boot kentert, welches Kind retten Sie ? Um solche extremen Grenzsituationen geht es natürlich nicht bei dem Gedankenspiel, was das Wichtigste für eine erfolgreiche Zaubershow ist. Aber es zeigt, dass die Frage nach dem Wichtigsten immer individuell ist und, wie der Herr Einstein treffend herausgefunden hat, sehr relativ ist – wie alles. Somit eine Frage, die sich universell sicher nicht beantworten lässt. Sicher kann man auch sagen, dass es wenig hilft, etwas theoretisch zu beantworten, denn das, was das Wichtigste ist, entscheiden wir oft erst genau in der Sekunde, in der es passiert. Wobei hier auch ein Faktor eine Rolle spielt, der das Gegenteil von rationaler Überlegung und Abwägung ist: Intuition. Und das scheint mir eine der wichtigsten Gaben eines Künstlers zu sein, intuitiv im richtigen Augenblick richtig zu handeln, sich intuitiv für das zu entscheiden, was in der betreffenden Situation das Beste ist. Die richtigen Worte im richtigen Augenblick, die richtige Programmauswahl, ggf. spontane Umstellung, wenn die Situation es erfordert, das richtige Timing. Intuition ist zum Teil gegeben, es gibt Menschen, die unabhängig von Wissen unglaublich treffsicher Situationen oder Ergebnisse voraussehen oder ahnen, wie immer man es nennen möchte. Intuition ist aber auch ‚lernbar‘, es ist zu einem großen Teil der unbewusste Rückgriff auf einen verborgenen Schatz in uns, die Summe von abgelegten Erfahrungen. Das bedeutet, wenn wir uns zB in einer unangnehmen Situation befinden, merken wir uns das, unbewusst, ziemlich genau sogar, mit allen Eindrücken, was haben wir in dem Moment gesehen, gerochen, gefühlt. Wir möchten das nicht noch einmal erleben. Bedeutet, wenn es zB keinen oder wenig Applaus gibt, lohnt es sich, sich an die Umstände zu erinnern: zB fällt uns dann auf, dass die Kinder nicht klatschen konnten, weil sie etwas in der Hand hielten, ein Getränk, Gewinnlose für die Tombola-Gewinn-Bekanntmachung nach der Show, beliebt bei öfftl. Veranstaltungen, KiTa-Fest, Stadtfest etc auch Waffeln oder Bratwurst . . . Ja, wenn man etwas in der Hand hält, kann man nicht klatschen. Muss also nicht am Programm gelegen haben. Abspeichern fürs nächste mal und Ausweg überlegen, zB generell Ansage vor der Show: “ Ganz wichtig: damit ihr mitzaubern könnt, brauchen wir alle leere Hände“. Dies war nur ein klitzekleines Beispiel. Es ist sicher hilfreich, wenn jemand ein Buch mit seinen Erfahrungen verfasst, was seines Erachtens sehr wichtig ist, um erfolgreich eine show zu spielen. Es öffnet die Augen, man erhält wertvolle Tipps. Aber am Ende ist es wie beim Fussball: mir kann ja ein Torschütze erklären, wie er Tore schießt oder vermeidet, gefoult zu werden – aber deswegen schieße ich noch keine Tore. Gebe 5 Zauberern das gleiche Kunststück und schaue dir, nachdem jeder die Zeit hatte, die er für das Üben und Einbau in sein Programm haben wollte, die Vorführungen an. Alle haben die gleiche Anleitung gelesen, deshalb sind es aber nicht die gleichen Perfomer – so wird dieses Kunststück bei einem ein müder Krepierer sein und bei einem anderen ein Kracher. Jetzt stelle die Frage, was das Wichtigste ist . . . 100 Leute – 100 Antworten.
Ich persönlich denke, dass das Wichtigste für Zauberkünstler – wie für alle darstellenden Künstler, ein gewisses Charisma ist, das vorhanden sein muss. Die natürliche Freude, der natürliche Drang, Menschen ein besonderes Erlebnis zu schenken, etwas Fantastisches auf die Bühne zu bringen. Gleich ob Bauchtanz, Elvis-Presley-Imitation oder Zaubern. Du musst dich drauf freuen. Dann braucht man Disziplin. Es klingt vielleicht sonderbar, weil mir Vieles so selbstverständlich erscheint, aber ich wundere mich schon manchmal über Kollegen, die zB mit Alkoholfahne auftreten oder Seminare halten, oder die offenkundig keinen besonderen Wert auf besondere & ordentliche Kleidung legen, ebenso höre ich von Veranstaltern manchmal Unmut über Unpünktlichkeit. Disziplin bedeutet für mich saubere Hände, heile Schuhe, tadellose Kleidung, kein Alkohol vor, während oder mit Publikum nach dem Auftritt. Als 3. Wichtigkeit würde ich etwas Ehrgeiz nennen. Denn in der Qualität und Wirkung, was man tut, sollten sich Künstler, die für Gage auftreten, schon deutlich merkbar von anderen unterscheiden – sonst könnte es ja jeder. Um bei diesem wichtigen Punkt nicht mißverstanden zu werden, ich meine nicht einen gesteigerten Ehrgeiz, der Beste zu sein, der schnellste oder der, mit den meisten Auszeichnungen, ich meine den Ehrgeiz, die Gäste unter allen Umständen bestens unterhalten zu wollen, offen zu bleiben für Neues, für Kritik, für Verbesserungen.
Ein gewisses Charisma, eine Leidenschaft kann man sich nicht bei Ebay kaufen, das ist sicher zu großen Teilen, wie ich aus vielen Gesprächen mit anderen Künstlern weiß, eine
Begabung, ein Genfehler ;-), der übrigens bei vielen Moderatoren, Comedian, Zauberern
bereits in frühester Kindheit, im Kindergarten oder der Grundschule, erkennbar ist . . .
Hier kann man nur begrenzt nachsteuern, obwohl es auch hier fantastische coaches gibt, die etwas herauskitzeln können, was vielleicht verborgen war (aberzogen).
Die Punkte Disziplin und Ehrgeiz sind dagegen Bereiche, die jeder für sich hinterfragen kann. Ich bin davon überzeugt, wenn von allem etwas vorhanden ist, dann können wir auch schwierige Situationen meistern, auch Situationen, die wir heute noch nicht kennen. Ich stehe auf der Bühne, wenn ich da stehe, kann mir nichts passieren ! Ich darf da auf keinen Fall mit ungutem Gefühl oder gar Auftrittsangst hingehen, dann hat man ein gravierendes Problem. Natürlich sind die og. Voraussetzungen keine Garantie, das immer alles perfekt läuft, natürlich können bei noch so guter Vorbereitung bei einem Auftritt Fehler passieren – aber davor braucht man keine Angst haben, 1. wissen die Zuschauer zu 90% nicht, wie der Ablauf geplant war, es gibt eine Vielzahl sogar unterhaltsamer Outs für so einen Augenblick, würde den Rahmen hier sprengen, aber googelt das mal, 2. sind auch Künstler nur Menschen, bedeutet, nicht perfekt. Das Publikum weiß das durchaus, es ist sogar menschlich ein Pluspunkt, niemand ist vollkommen, deshalb wird selbst berühmten Künstlern durchaus ein kapitaler Fehler verziehn (zB Textaussetzer oder falscher Text bei Sängern), 3. und das könnt ihr glauben oder nicht: Fehler verbessern manchmal unfreiwillig ein Kunststück !!! Habe ich von Kollegen gehört und selbst erlebt ! Beispiel 1, Bodo Lorenzen, Karte an Decke, es bleiben 2 Karten kleben, somit nicht die Zuschauerkarte erkennbar. Stille. Worst case, kein schöner Augenblick. Dramatische Sekunden, in denen der Vorführer eine Flasche Mineralwasser schwitzt. Alle glotzen an die Decke. Und . . . die Karte, die die Zuschauerkarte verdeckt, löst sich und segelt zu Boden, sichtbar wird die zuschauerkarte – tosender Applaus. Beispiel 2, ich, Bühnenshow Kongress Wurzbach, zaubern für Kinder, Finale, Keksproduktion (kann ich übrigens wärmstens empfehlen, sogenannte Müslikekse, Kinder rufen Zutaten, ich bringe gerne was ekliges ins Spiel, Ameiseneier, Meerschweinchenködel, Froschaugen, springen Grundschüler liebend gerne drauf an, seit gespannt, was ihr zu hören bekommt, gerieben Rattenschwänze, Krokodilschnotter . . ., jedenfalls sehen diese Müsli- oder Vital-Kekese klasse aus, die sesamkörner sehen aus wie Ameiseneier, Schokostückchen wie Meerschweinchenködel etc.) zurück zur Vorführung, leerer Kasserolendeckel liegt – gut sichtbar für alle – auf dem rand meiner Bühnenkiste, die hochkannt als Ablage (aber hauptsächlich als Sichtschutz für die Ladung) auf einem kleinen Tisch steht. Ablauf normal: ein Kind hat den leeren Topf untersucht, der steht vor der Kiste, auch den leeren D eckel, den nehmeich und lege diesen auf die Kiste, die Kinder rufen Zutaten, ein Kind schreibt die mit unsichtbarem Stift auf Zauberpapier (übrigens kein Pyro oder so nötig, ich verwende normales Pergamentpapier), zum Ende frage ich noch, ob wir vielleicht auch Zaubersalz brauchen, das kennen die Kinder aus dem letzten gezeigtem Kunststück ‚Malbuch‘, ich habe das Salz vor die Kiste gestellt, absichtlich, damit ich es bei dieser Sequenz ’suchen‘ muss, “wo ist
denn mein Zaubersalz ?“ Während ich das sage, hebe ich suchend den Topfdeckel hoch, scheinbar um zu schauen, ob das Salz aus Versehen darunter steht (die rufenden Kinder “ das steht da vorne !“ überhöre ich), in Wirklichkeit benutze ich dieses Mannöver natürlich, um mit dem Deckel kurz hinter die Kiste zu gehen, um die Ladung zu laden. Zackzack,
wirklich nur Sekunden, die der Deckel nicht sichtbar ist, genauso lang, um festzustellen, dass das Salz nicht unter dem Deckel ist, da ist die Hand mit dem geladenen Deckel schon längst wieder obern :-), ich lege den Deckel wieder genau da ab, wo ich ihn hochgenommen habe und schaue jetzt vor die Kiste, wie die Kinder rufen und zeigen und hebe den Salzstreuer hoch und stelle ihn neben den Deckel. Soweitsogut 2500x vorgeführt, in Wurzbach klappt die Ladung nicht, so ne alte Sch… gerade heute, gerade hier, wo doch auch soviele Zauberkollegen im Publikum sitzen. Ruhe bewahren, nichts anmerken lassen, ich komme also mit dem ungeladenenen Deckel wieder hoch, die Zauberkollegen wissen Bescheid, den hat er eben geladen, und zeige den Deckel leer (!),
“ nee, hier ist das Zaubersalz nicht“. Deckel ablegen, Salzstreuer daneben gestellt und jetztspontan der neue Satz: “Alles was wichtig ist, stelle ich hier oben hin, damit wir es alle gut sehen“ dann hob ich den Deckel noch einmal hoch und sagte “Hier drunter ist auch nichts versteckt“. Ablauf dann wie ihr ihn kennt, Zutaten in topf, anzünden, bei mir noch eine Prise Zaubersalz drauf, Deckel drauf, abnehmen, Kekse da – Hurra.
Nach der Show smalltalk kommen Zauberkollegen auf mich zu, tolle show, du musst uns unbedingt sagen, wie du die Kekse geladen hast, das war ja eine riesige Überraschung, als du mit dem Deckel wieder hochkamst und den dann leer gezeigt hast . . . Die Ladung beim 2.mal hochheben (“ hier ist auch nichts drunter“) wurde tatsächlich nicht erkannt ! Danke Fehler, mach ich jetzt immer so. Also Freunde der gepflegten Unterhaltung, keine Panikattacken vor Fehlern. Ein Tipp, nicht von mir, von dem legendären Heinz Erhardt:
eine seiner Sorgen war, was tun, wenn man einmal auf offener Bühne den Text verliert ??? Er hatte immer einen Bindfaden in der Tasche, einmal soll er ihn tatsächlich gebraucht haben, Textaussetzer, er holt das Fadenstück aus der Tasche, lässt es vor sich zu Boden Fallen, “ Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss Ihnen etwas Unangenehmes gestehen, ich habe soeben den Faden verloren“. Während er dies sagte und sich langsam bückte, um den Faden aufzuheben, hatte er Zeit, gedanklich in seinem Text zurückzugehen und einen 2.Anlauf zu nehmen – er fand den Anschluss.
Ist mehr geworden als gedacht, ich grüße euch und möchte noch unbedingt loswerden, dass ich immer faul von Zauberern und Künstlern statt korrekt auch von Zauberinnen und Künstlerinnen schreibe, ich meine immer aufrichtig und voller Überzeugung alle Geschlechter !
Zur Versöhnung mein Spruch des Tages: Anglizismen sind ein NoGo
herzlichst
Carsten Hokus Hoffmann 04163 7678
Habe alles gelesen. Gut.