Die (späte) Bestimmung zur Magie

Wunderpunkte auf der KLP – Von Roman Ertl

Wie jedes Jahr besuchte ich die Kulturelle Landpartie KLP im Wendland, auf der in über 70 Dörfern viele hunderte Events, auch magische, angeboten werden. Zwei Zaubernde könnten dabei für die Leser des Zauberzwergs interessant sein.

Miss Clarity aus Kalifornien

Eigentlich ist es der geschenkte Zauberkasten in der Kindheit, welche die Karriere von Magiern initiiert. Doch bei Miss Clarity aus Kalifornien, die ich hier auf der, wie immer voll besuchten Mützingenta treffe, hat es sehr viel länger gedauert. 40 Jahre hat sie auf diesen Moment gewartet, sagt sie in gebrochenem deutsch, bis sie ihren Herzenswunsch, als Zauberin auf einer Bühne aufzutreten, umsetzen konnte.

Sie hat sich für ihre Show ein uriges Zelt mit einem Schwungtuch als Dachhaut gebaut, so dass recht günstig auch farblich eine Zirkusatmosphäre mit Side Show Charakter entsteht. (Bild oben) Sie zaubert vorwiegend mit Requisiten aus Papier. Für ihre hiesige Zielgruppe hat sie ein Coloring Book mit ökologischen Motiven kreiert. Sonst verwendet sie gerne eine scharfe Schere, die sie z. B. bei der „Erfolgsleiter“ (eine Schwester der Papierpalme), einer Herzkette (Bild unten), deren Herzelemente als Misdirection beim Abgreifen zum Schneesturm dienen oder der Rosette einsetzt.

In ihrem Vorleben tingelte sie u.a. als „Living Statue“ auf den Straßen der Weltstädte. Doch trug die Amerikanerin seit ihrer Kindheit stets dieses träumerische Gefühl des Spiels mit dem Wunder in sich, das ein Straßenzauberer bei ihr entflammte. Sie möchte (symbolisch) als Fackelträgerin nun anderen Menschen dieses Gefühl weitergeben und den vorhandenen inneren Brennstoff entzünden. Gerade die wissende logische Unmöglichkeit um eine tatsächliche Zauberei lässt eine bereichernde Spannung im reifen Menschen entstehen. Die Kunst dieser Entflammung ist ihre Challenge. Moral: Es ist nie zu spät für die Berufung.

Dado – kanadischer Straßenkünstler

Als zweiten Impulsgeber für Familienzauberei ist wieder einmal der kanadische Straßenkünstler Dado geeignet. Die jährlich zu beobachtende Entwicklung seines humorvollen Programms spiegelt jene Punkte, die ein Zauberer gerne einmal bei seiner Show betrachten könnte.  Selbst eine scheinbar runde Show kann immer noch ergänzt, ja getoppt werden. Da wären u.a.

  1. Prolog verlängern: „Was macht der Dado denn (Überflüssiges) zum Beginn der Show? Das Kostüm hätte er ja auch schon vorher anziehen können, außerdem muss er noch umständlich (und genüsslich) die Ärmel dabei umkrempeln!“ Diesen und anderen Spaß mit selbstverständlichen (und widerspenstigen bis umständlichen) Vorbereitungen macht er u.a. zur Einstimmung auf das Kommende, zum Aufbau des Fokus und zum Kennenlernen des Publikums.
  2. Optimierung des Zuschauerfokus: Nervende Handy- Telefonierende rückt er direkt mit ausgesteckter väterlicher Hand zum Einkassieren des Geräts auf den Leib. Selbst Erwachsene fangen bei diesem forschen und doch humorvollen Unterfangen das Laufen an. Das ergibt einen Lacher und eine Ablenkung weniger. Quasselnde Kinder, die sogar zum Zweikampf bereit sind, (bei dem der duellierende Bühnendarsteller bisher nur verlieren konnte) werden nach Nasepopeln mit feuchtem Finger in Abwischrichtung auf den Kinderpulli zum Fokus zurückgebracht. Hier ist humorige Direktheit mit respektgebender, aber auch -erwartender Haltung erfolgreich.
  3. Animation bislang banaler Tätigkeiten: Hier wird z. B. das Aufblasen eines Modellierballons mit einem Pups- Geräusch verbunden. Dabei fragend auf das Kind sehen und die Augenbraue heben.
  4. Routinen-Epiloge: Wenn der Ballon im weit aufgesperrten Mund vollständig verschluckt wurde, ist dies nur das erste Routinen-Ende. Zum zweiten Ende erscheint der Ballon wieder an einem anderen Ort, als drittes Ende gilt dann die modellierte Give-Away-Figur an eine geeignete Person.
  5. Verbreiterung der Sinneseindrücke: Mit einfachster selbstgemachter Musik, mit Rhythmus oder Gesang werden Tätigkeiten begleitet; am besten interaktiv. Ein Thema wird (stolz bis angeberisch) mit einem (selbst gemalten) Bild oder mit einer Figur visualisiert, welches mit einem konditionierten Ah oder Oh der Zuschauer kommentiert wird.
  6. Bewusstheit des Geschehens: Die Freude der Zuschauer wird während des Schlussapplaus` symbolisch stückchenweise eingesammelt und erfährt in der Hand des Magiers eine Metamorphose zu einem Herz, das er „zurückgibt“.

Bei Dado kann man aber auch trefflich über „No-Goes“ (jedenfalls in Norddeutschland) diskutieren. Er hebt, zerrt und rüttelt an den assistierenden Kindern, schiebt ihnen die Mundwinkel zu einem „Lächeln“ hoch oder zieht ein ellenlanges Messer (aus Kunststoff) um Probleme zu beenden. Auch (sehr) kurze Sequenzen unterhalb der Gürtellinie werden angeschnitten. Doch augenscheinlich hat sich nach den Vorstellungen weder ein Kind noch die Eltern beschwert, vielleicht auch deshalb, weil er ein liebenswürdiger Typ ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert