Ehrenamt, Geld und junge Menschen

Ich habe bereits mehrfach erwähnt, dass ich seit 59,5 Jahren Mitglied eines Sportvereins bin. In „meinem“ Bremerhavener Sport Club Grünhöfe, kurz BSCG oder BSC Grünhöfe, war ich zudem seit meinem 15. Lebensjahr als Trainer, Fußball-Jugendleiter, Vorstandsmitglied und 1. Vorsitzender ehrenamtlich aktiv. Heute bin ich Ehren-Vorsitzender und einer von 2 Jugendleitern, kümmere mich um das Vereinshaus und trainiere Kinder-Fußballmannschaften.

All das mache ich bis heute ehrenamtlich. Ehrenamtlich heißt nicht komplett umsonst. Es gibt für das Ehrenamt eine Aufwandsentschädigung, die bis zu 3000 € im Jahr steuerfrei ist. Damit soll ein Teil der Kosten erstattet werden, die man persönlich trägt, um das Ehrenamt auszuführen. Das finde ich gerechtfertigt und eine gute Regelung, die sich die Finanzbehörden irgendwann einmal ausgedacht haben.

Wollen junge Menschen Ehrenamt oder Geld?

Seit ich in den letzten Jahren wieder in der Fußballjugend tätig bin, beobachte verstärkt, dass die Jugendlichen Trainer, die wir dringend für die Mannschaften benötigen, auch eine entsprechende Entlohnung vom Verein erwarten. Sind die nur geldgierig oder ist das berechtigt? Geht es nur um das Geld oder um die ehrenamtliche Arbeit mit den Kindern? Und kann ein Sportverein diese Kosten überhaupt stemmen? Ist es moralisch in Ordnung, für ein Ehrenamt Geld zu nehmen?

Wie alles in der Welt haben auch diese Frage vielschichtige Antworten. Grundsätzliche Situation für alle Vereine ist erst einmal, dass es nicht mehr einfach ist, überhaupt Mitarbeiter*innen zu finden, die sich mit den Sportgruppen beschäftigen wollen. Insofern ist es dringend notwendig, das Ehrenamt attraktiv zu gestalten. Dazu gehört auch eine finanzielle Entschädigung.

Die Trainer unserer Fußballmannschaften sollen 2 Mal in der Woche Training anbieten, zusätzlich findet am Wochenende oft ein Punkt- oder Freundschaftsspiel statt. Das bedeutet: 2 x pro Woche 2-3 Stunden Trainingsaufwand (inklusive Vorbereitungen), zusätzlich etwa 3 Stunden für das Spiel, inklusive Anreise usw. Das ergibt also im Durchschnitt 9 Stunden Aufwand. Dabei sind die vielen Telefonate, WhatsApps und mehr noch gar nicht berücksichtigt. Bei Zahlung des Mindestlohns von zurzeit 13,46 € im Land Bremen ergäben die 9 Stunden 121,14 € pro Woche, also 484,56 € im Monat.

Unsere Fußballtrainer ohne Lizenz erhalten 90 € pro Mannschaft. In der Regel arbeiten sie zu zweit, einfach weil es mehr Spaß macht und die Arbeit erleichtert. Also 45 € pro Person. Mehr kann ein gemeinnütziger Verein ohne große Sponsoren auch gar nicht stemmen, schon gar nicht in einem sozialen Umfeld, wie wir es haben. Die Vereinsausgaben müssen aus den Mitglieds-Beiträgen finanziert werden. Die können natürlich nicht unbegrenzt nach oben schießen, dann wären sie von den Familien nicht mehr bezahlbar.

Unsere Trainer arbeiten also wirklich ehrenamtlich und bekommen dafür eine kleine finanzielle Entschädigung, die unter den genannten Bedingungen mehr als gerechtfertigt ist. Dafür sind wir ihnen sehr dankbar. Sie übernehmen eine sehr wertvolle und wichtige Aufgabe, denn sie schaffen eine sinnvolle Freizeitaktivität für die Kinder unseres Stadtteils, die gar nicht mit Geld zu bezahlen ist.

Was bringt das Ehrenamt?

Wieso übernehmen dann doch immer wieder junge Menschen ein Ehrenamt? Ich denke, es ist einfach die Verbindung, das eigene Hobby auszuleben und dafür auch noch etwas Geld zu bekommen. Für Jugendliche sind ja auch schon 45 € ein nennenswerter Geldbetrag. Die jugendamtliche Taschengeld-Empfehlung für 16-18 jährige liegt bei 50 – 75 €, die aber deswegen noch lange nicht jeder wirklich bekommt. Da kommt eine zusätzliche Einnahme schon gelegen.

Ich bin aber überzeugt davon, dass viel mehr als das Geld das gute Gefühl, „etwas Sinnvolles zu tun“ die Antriebsfeder der jungen Menschen ist, sich ehrenamtlich zu betätigen. Sie wollen sich und ihre Ideen verwirklichen, sie wollen Sachen probieren, sie wollen andere positiv beeinflussen, sie wollen ihr Umfeld gestalten – kurzum: Sie wollen sich in ihrer Persönlichkeit entwickeln. Die geringe Aufwandsentschädigung wird dann zusätzlich natürlich auch gerne genommen.

Lasst die jungen Menschen machen!

Wir sollten also viel mehr den jungen Menschen Gelegenheit geben sich und ihre guten Ideen einzubringen. Die Welt und unser Mikrokosmos im Verein werden sich nur weiterentwickeln, wenn immer wieder neue, junge Impulse kommen. Auch wenn wir den tieferen Sinn und die Handlungsweisen nicht immer verstehen. Oder wie soll ich es mir erklären, dass zwei junge Menschen Riesenspaß daran haben, spontan in unserem Sportheim zu übernachten? Muss ich auch nicht verstehen, es genügt, wenn sie das wissen. Ich habe ihnen Croissants und Kakao zum Frühstück gebracht.

Mit der Übungsleiterpauschale können wir auch Aktivitäten fördern, die Jugendliche in unseren Verein ziehen oder die vorhandenen Mitglieder binden. Gerade heute habe ich wieder Kontakt zu einem jungen Erwachsenen gehabt, der studiert und gerne etwas mehr „Vermögen“ hätte. Ich habe ihm angeboten, weitere Angebote im Verein speziell für Jugendliche zu machen, für die wir ihn als Übungsleiter entlohnen könnten. So wäre beiden Parteien geholfen: Der Verein gewinnt Vereins-Mitglieder, der Übungsleiter finanziellen Spielraum. Es ist eben alles eine Frage der Gegenfinanzierung.

Und zum Abschluss noch eine Gedanke in diesem Zusammenhang: Lasst die Jugendlichen und jungen Erwachsenen den Freiraum, das zu tun, was sie für richtig halten. Die heutige Jugend ist sehr viel engagierter, kreativer, aktiver, hilfsbereiter, freundlicher, kurzum: besser als dauernd behauptet wird.

Redet nicht immer von den 5 % Idioten auf der Welt, sondern mehr über die 95 % guten Jungs und Mädchen, die unsere Zukunft gestalten werden!

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