Teil 2 „Kinder am Programm beteiligen„
Ich kann in einer Kindervorstellung die Stimmung anheizen, aber ich muss die Kinder auch wieder zur Ruhe bringen. Sonst kann ich – im wahrsten Sinne des Wortes – gleich einpacken. Aber wie hole ich ein aufgeladenes Publikum wieder herunter?
Nun, um es gleich deutlich zu sagen: Wenn ich gedankenlos die Stimmung anheize und dann alle auf 10000 Volt aufgeladen sind, ist es zu spät. Vielmehr muss ich von Anfang an das Publikum lenken – nach oben und nach unten auf der „Stimmungskurve“.
Um Kinder zu lenken, musst du von ihnen akzeptiert sein. Am besten aufgrund deiner persönlichen Ausstrahlung, notfalls reicht aber auch die Rolle als unbestrittener Fachmann dieser Zauber-Vorstellung. Du musst jedenfalls die Autorität sein. Nicht per Anordnung, sondern durch dein freundliches, sicheres, überzeugendes Auftreten.
Diese Funktion musst du dir von Anfang an erarbeiten. Bereits die Begrüßung der Kinder erfolgt erst, wenn alle ruhig sind. Versuche nie, wirklich NIE!, gegen laute Kinder anzureden- oder gar anzuschreien. Die Kinder sind in der Überzahl. Gehe also auf die Bühne und warte freundlich lächelnd, bis es ruhig geworden ist.
Das geht schneller als du denkst, denn die Kinder wollen wissen, was passiert. Wenn es leise genug ist, begrüße freundlich die Kinder: „Hallo, ich bin Volkmar[1]. Schön, dass ihr alle hier seid. Ich freue mich, dass ihr heute mit mir zaubern wollt.“ Und jetzt schließe ich gerne eine Übung an, in der die Kinder lernen, dass sie nur laut werden sollen, wenn ich das möchte: „Ja, jetzt wisst ihr meinen Namen. Da würde ich auch gerne eure Namen wissen.“
Achtung: Aufpassen! Jetzt kommt es darauf an. Denn sofort geht es los: „Marie!“, „Sebastian!“, … Jedes Kind will seinen Namen sagen. Du musst schneller sein als sie: „Halt! Halt!“, mit den Armen abwinken, diese Geste kennen die Kinder. So lange, es wieder ruhig ist: „So geht das nicht, das dauert ja viel zu lange, wenn jetzt jede*r nacheinander den Namen sagt. Wir machen das so: Ich zähle bis drei, und dann ruft ihr gaaanz laut euren Namen uuund wie ihr heißt!“ Dann wird vorgezählt und bei 3 rufen alle ihren Namen und freuen sich.
Da die Kinder nach dem Rufen ihres Namens einen Moment ruhig sind, nutze ich die Pause sofort , bedanke mich und stelle fest: „Ist doch viel schöner, wenn man sich mit dem Namen kennt! Dann können wir jetzt ja anfangen.“ Und auch jetzt trainieren wir noch einmal ruhig zu bleiben und zuzuhören, denn meine beiden Eröffnungskunststücke „Exit“ und „No tear“ führe ich alleine vor, erst dann kommt das erste Kind auf die Bühne.
In meinem Programm baue ich bewusst Phasen ein, in denen die Kinder schreien sollen. Wer sich auspowered, entspannt sich anschließend, wenn „der Dampf vom Kessel ist“. Die Kinder rufen gemeinsam einen Zauberspruch – ich behaupte, das war viel zu leise: Also noch einmal angeleitet in größter Lautstärke. „Und noch etwas lauter, bitte!“
Ebenso baue ich Phasen ein, in denen die Kinder ganz leise sind, etwa: „Und wenn ihr jetzt ganz leise seid, dann könnt ihr hören, wie …“ oder „Das geht nur, wenn wir gaaanz leise die Fingerspitzen aneinander tippen!“ Funktioniert immer, denn die Kinder sind gespannt und neugierig und wollen, dass die Kunststücke klappen. Selbstverständlich musst du selber in solchen Szenen auch laut oder leise, geheimnisvoll reden.
Die Lautstärkensteuerung muss also ganz zu Anfang eingeführt und im Programm immer mal wieder geübt werden, dann funktioniert sie auch am Ende der Vorstellung noch. Bei dem Raketenstart in meinem letzten Kunststück „Tuchrakete“ fordere ich die Kinder wieder zum Klatschen, Toben, Kreischen, Zischen, Trampeln… auf und lass sie das auch machen, so lange ich es für gut halte – eben so lange, wie die Rakete braucht 🙂 – , dann hebe ich meinen freien Arm und winke damit „aufhören“. Erst wenn wirklich alle Kinder wieder ruhig sitzen, geht es weiter. Aber das geht schnell, denn die Kinder sind neugierig zu erfahren, ob die Tuchwanderung geklappt hat.
Hier noch einmal die Faustregeln:
- Ich rede nur, wenn es leise genug dafür ist.
- Mit Gesten, Gesichtsausdruck oder leiser, geheimnisvoller Stimme bedeute ich den Kindern, dass sie ruhig sein müssen, erst dann passiert das Wunder oder wird gezeigt
- Ich entscheide, wann es laut werden soll / darf.
- Ich gebe das visuelle Zeichen, wann es wieder ruhig sein muss
- Wenn es nicht ruhig sein muss und ich nichts sagen will, lasse ich die Kinder reden und rufen.
Mit dieser Methode kann ich ein Publikum recht gut steuern. Aber natürlich gibt es auch immer Kinder, die sich nicht an die verabredeten (oder von mir gesetzten) Regeln halten. Die sogenannten „Störer“. Aber das ist ein Thema für sich, dass in einem weiteren Beitrag behandelt werden soll.
[1] Wenn du willst, kannst du an dieser Stelle auch deinen Namen benutzen
Zu der Regel „Ich rede nur, wenn es leise genug dafür ist“:
Mit Hilfe von Verstärkeranlagen versuchen Kinderzauberer (u.a. Zauberer auch) häufig, das Publikum zu übertönen. Man muss ja nur die Anlage lauter stellen. Ein Fehler wie ich meine.
Und dann möchte ich auch noch in diesem Zusammenhang das „Grundgeräusch“ derer erwähnen, die ihre Kinder „abgegeben“ haben und hinten im Raum sich fröhlich miteinander unterhalten, während vorne ihre Kinder bespasst werden. Ärgerlich und Respektlos!
Danke, Ulrich,
auf die Letzteren komme ich in meinem Artikel „Störer“ noch zu sprechen.