Jeden Tag ein neuer Trick (Teil 2)

Verfasst von Ulrich Rausch

Das Geständnis

Einen Plan zu haben ist es schon mal gut. Und wenn der Plan gut ist, dann ist es sogar sehr gut. Aber was passiert, wenn man sich nicht an den Plan hält? Vor mehr als zwei Wochen habe ich hier meinen Plan vorgestellt, mich ab sofort jeden Tag mit einem Trick neu zu beschäftigen. Aber heute ist es Zeit für ein Geständnis: Ich habe den Plan so nicht umgesetzt!

Stattdessen habe ich mich in den letzten Wochen ausschließlich mit einem einzigen Trick beschäftigt und versucht ihn zur Bühnenreife zu entwickeln. Und davon will ich hier berichten. Ich hatte ja schon angedeutet, dass man den Trick die „Sympathetischen Zehn“ anstelle von Spielkarten auch mit Zahlen- oder Buchstabenkarten vorführen könnte, so dass auch Kinder, die sich mit Spielkarten nicht so auskennen, den Effekt sehen und verstehen können.

In einem ersten Schritt ging es mir dann um die Frage, wie sieht der Effekt aus, so dass er für Kinder verständlich ist und dass er vielleicht auch einen kleinen Zusatz enthält, der über das eigentliche Thema des Ausgangseffekts hinausgeht? Und so entstand das Folgende:

Der neue Effekt (nach die „Sympathetischen Zehn“)

Alle Fotos in diesem Artikel: Ulrich Rausch

„Aus einem Kinder-Kartenspiel mit Zahlen-Karten entnimmt der Künstler 10 blaue Karten mit den Ziffern von 0 bis 9 und stellt sie genau in dieser Reihenfolge in ein Glas. Dieses wird er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr berühren.

Ein Zuschauer bekommt 10 rote Karten, ebenfalls von 0 bis 9, die er gründlich mischen darf. Diese in eine zufällige Unordnung gebrachten Zahlen werden in einem zweiten Glas abgestellt. Wie von Geisterhand ordnen sich die blauen Karten in die gleiche Reihenfolge, wie der Zuschauer seine roten gemischt hat.

Wenn die Zuschauerkarten noch einmal genauer betrachtet werden, stellt sich heraus, dass die Unordnung vielleicht doch nicht ganz so zufällig ist, denn die Zahlen ergeben ein für den Zuschauer bedeutsames Datum, wie das Geburtsjahr, den Hochzeitstag etc.“

Gerade der zweite Effekt hat mich dann in dieser Phase vor allem beschäftigt: Wie kann man in dem von einem Zuschauer gemischten Kartenpäckchen eine für ihn bekannte Zahl „erscheinen lassen“? Seitenweise habe ich Listen geschrieben, um herauszufinden, was und wie viele Gimmicks ich brauche und welche Eigenschaften die Zahl, die erscheinen soll, haben muss. Theoretisch kann die Zahl bis zu 8 Stellen habe, aber es darf jede Ziffer von 0 bis 9 jeweils nur einmal darin vorkommen. Beim späteren Experimentieren mit den Karten stellte sich dann heraus, das eine vierstellige Zahl wohl die optimale Lösung ist, weil sie zum einen schnell zusammengestellt und zum anderen auch für die Zuschauer leicht zu erfassen ist.

Suche nach den richtigen Karten

Im Handel sind Zahlenkarten gar nicht so leicht zu finden. Das bekannte Kartenspiel „Uno“ arbeitet zwar mit Zahlenkarten, aber dann müsste man sich hierzu extra noch die Gimmicks herstellen, was nicht ganz so einfach ist. Und aufgrund der Menge an Gimmicks macht es auch kaum einen Unterschied, ob man sie zusätzlich herstellt oder gleich ein ganzes Kartenspiel neu gestaltet.

Von der Firma Piatnik/Wien gibt es aus der Zauberkarten-Serie, die Magic Christian gestaltet hat, Zahlenkarten. Für mein Thema sind sie nur begrenzt geeignet: Es ist ein Set mit Karten von 1 bis 50, für den Effekt braucht man aber mehrere Sets von 0  bis 9 in verschiedenen Farben, die Gimmicks müsste man sich auch hier extra herstellen und die Karten sehen sehr nach Spielkarten aus, nach Karten, die speziell für den Zauberer gemacht wurden. Und so war mir dann schnell klar, dass ich meine eigenen Karten gestalten und drucken lassen muss.

Das eigene Design

Bildseite

Neben den tricktechnischen Anforderungen an das Spiel wollte ich bei der Gestaltung auf zwei Aspekte Wert legen. Auch auf große Entfernung sollten die Ziffern deutlich zu erkennen sein und das Spiel sollte seine Herkunft als Trickspiel verschleiern, so dass man für die Zuschauer plausibel machen kann (aber nicht zwingend muss), wofür diese Karten eigentlich gedacht sind. Der Vergleich zwischen dem Piatnik – Beispiel und meinen Karten zeigt den Unterschied: Die Indices wurden weggelassen, stattdessen füllt jede Ziffer fast vollständig die Karte aus. Ziffern schnörkellos und deutlich voneinander unterscheidbar, die Farben sehr kräftig. Die Rückseite hat ein Fantasie-Zahlen-Motiv und keine traditionelle Kartenrückseite.

Der Druck

Im Internet gibt es viele Druckereien, die auch Spielkarten drucken. In der Regel sind sie als Werbekarten eingestellt, d.h. der Kunde bestimmt das Motiv der Rückseite. Ich aber brauchte eine Druckerei, die mir die Freiheit lässt, sowohl die Vorder- als auch die Rückseite bei jeder Karte zu gestalten. Die Druckerei, die ich gefunden habe – und von der sich später herausstellte, dass viele Profis dort auch Karten drucken lassen – hat mir die größte Freiheit gelassen, so dass ich als Format ein Poker – Size wählte und das Papier ähnlich den üblichen Zauberkarten ist, so dass man alle üblichen Kartengriffe damit problemlos ausführen könnte.

Die Anleitung schreiben

Während die Karten im Druck und Versand waren, habe ich mich hingesetzt um eine Anleitung für den Effekt zu schreiben. In erster Linie für mich, da ich beim Schreiben noch einmal Klarheit über einzelne Punkte in der Handhabung und Präsentation bekomme. Vor allem wurde mir dabei deutlich, dass es sich hierbei nicht um einen reinen Kinder-Effekt handelt, sondern er auch vor Erwachsenen wirkungsvoll ist. Und wenn man zu einem Geburtstag, einer Hochzeit etc. engagiert ist, ist es ein zusätzlicher emotioneller Augenblick, wenn das besondere Datum in den Karten erscheint.

Der zweite Grund für die Anleitung: Aus technischen Gründen musste ich mehr Spiele drucken lassen, um das passende Set zusammen stellen zu können. In der Folge habe ich jetzt mehr Sets, als ich für den eigenen Bedarf brauche und die ich gerne abgebe – mit einer genauen Anleitung von 8 Seiten.

Sortieren und Probieren

Seit 2 Tagen habe ich die Karten, sie erst einmal stundenlang sortiert und dann nach der eigenen Anleitung ausprobiert (Das ist doch hilfreicher, als ich es mir ursprünglich gedachte hatte, sowohl beim Präparieren wie auch bei der Handhabung des Spiels). Dabei habe ich entdeckt, dass ich vielleicht ein oder zwei Gimmicks weniger hätte drucken lassen müssen, aber sonst klappt alles so, wie ich es mir im Kopf ausgedacht habe.

Und jetzt wartet „Ordine e Disordine“ (auf Deutsch: Ordnung und Unordnung) auf seine ersten Praxistest vor echtem Publikum. Und dabei werde ich sicher noch an der Handhabung und der Präsentation feilen können.

Der hier beschrieben Prozess hat ungefähr 18 Tage gedauert, an manchen Tagen reine Denk-Zeit, an anderen intensives Arbeiten wie Tabellen und Anleitung schreiben, Karten designen, Druckvorbereitungen etc.

Aber während dieser Tage wurde mir klar: Es ist gut einen Plan zu haben, besser einen guten Plan zu haben, aber am besten ist es, wenn man sich die Freiheit nimmt, den ganzen Plan über den Haufen zu werfen, wenn es einen guten Grund dafür gibt.

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