„Kannst du wirklich zaubern?“ – Vol. II

Danke, Bernhard, für deinen tollen Artikel zu dem Thema.

Ich finde ihn und das Thema an sich sehr interessant und teile deine Ansichten dazu. Allerdings gehe ich meistens nicht so weit, dass ich den Kindern tatsächlich eindeutig sage, dass ich nicht zaubern kann. Ich bleibe da eher auf einer undefinierten Mittelwelle. Was ich damit meine und wie ich das konkret mache, möchte ich hier beschreiben.

Volkmar Potter

Ich werde bei Auftritten auf Kindergeburtstagen oder in Kitas und Grundschulen vor der Vorstellung oft gefragt, ob ich wirklich zaubern kann. Ich beantworte diese Frage nicht wirklich, sondern winde mich aus der Affäre: „Das weiß ich auch nicht so genau. Ich denke, Ihr könnt zaubern!? Aber frag mich doch mal nach der Show.“ Also kein eindeutiges Ja, kein eindeutiges Nein, sondern ein verbindliches „Könnte sein“ und ich gebe den Ball zurück an die Kinder. Die können zaubern, stelle ich in den Raum.

Damit habe ich nur ein bisschen gelogen 🙂 denn ich kann ja immerhin Zauberkunst. Größere Kinder wissen ohnehin, dass ich nicht wirklich zaubern kann und kleineren zerstöre ich damit nicht ihre Phantasiewelt. Ohne dabei zu sagen, dass es Zauberei „in echt“ gibt – was natürlich keinesfalls akzeptabel wäre.

Angst vor Zauber bekämpfen!

Das Einzige, was ich konsequent bekämpfe, ist eventuelle Angst vor einem Zauberer. Oft erlebt habe ich den Satz von Eltern und sogar Erzieher*innen und Lehrer*innen: „Setzt euch hin und seit artig, sonst zaubert euch der Zauberer weg!“ Darauf entgegne ich den Erwachsenen, aber so, dass es sicher alle Kinder hören: „Nein, das mache ich nicht. Das macht kein Zauberer, das ist verboten. Wir machen nur das, was Kindern Spaß macht!“ Ich verbünde mich also mit den Kindern, lasse aber weiter offen, ob ich wirklich zaubern kann oder nicht.

Während meines Programms habe ich eine Stelle, an der ich noch einmal auf das Zaubern-Können eingehe: Beim Malbuch. Das Kunststück beginnt mit den Worten: „Ihr wisst ja, dass wir hier Zauber-Kunststücke machen. Aber wisst ihr auch, wo man die lernen kann?“ – „Genau, in der Zauberschule. Und da gibt es auch Zauber-Schulbücher. Ich hab meins hier mitgebracht: Da sind Bilder von allen Zauberkunststücken drin, die es auf der Welt gibt!“ und ich zeige die leeren Seiten. Der Tumult beginnt, wie es weitergeht, ist ja bekannt.

Lernt man in Zauberschulen „echt“ zaubern?

Was habe ich gesagt? Nur, dass man Zauber-Kunststücke lernen kann. In einer Zauberschule. Zum Beispiel in Hogwarts oder wo auch immer. Ich spreche NIE von Zauber-„Tricks“, denn das Wort beinhaltet für mich eine negative Wertung, etwa in dem Sinne „Billiger Trick, nicht echt…“

Ich habe aber nicht gesagt, dass es sich nicht um richtigen Zauber handelt. Ich bleibe weiter bewusst im undefinierten Bereich. Klar kann man Zaubern lernen, man muss nur einen echten Zauberer finden, der es einem beibringt…

Kinder können zaubern

Und ich bleibe auch in meinem kompletten Programm im undefinierten Bereich, da ich jedes Kunststück so aussehen lasse, als hätten die Kinder oder das Kind auf der Bühne den Zauber ausgelöst. Nach jedem Kunststück bejubele ich das Kind auf der Bühne und fordere die anderen auf: „Manuel hat für euch gezaubert! Gebt ihm einen Riesenapplaus!“ Und manchmal frage ich sogar: „Wie hast du das denn gemacht?“ Ich drehe also die Zauberwelt einfach mal um. Ich frage mich, ob die Kinder wirklich zaubern können.

Insofern stellt sich dann irgendwann auch nicht mehr die Frage, ob ich zaubern kann. Denn die Kinder haben ja gezaubert – genau so, wie ich es schon am Anfang gesagt hatte: „Ich denke, Ihr könnt zaubern!?“ Was übrigens einmal in einer Vorstellung dazu geführt hat, dass ein Kind mir nach etwa 25 Minuten zugerufen hat: „Jetzt sollst du aber mal zaubern!“

Zum guten Schluss

Manchmal kommt es vor, dass mich ein Kind auch nach der Vorstellung noch einmal anspricht und fragt, ob ich wirklich zaubern kann. Da sind dann die Zweifel, ob das jetzt die echte oder die Fantasiewelt war, doch zu groß um einfach zu gehen. Solche Gewissenskonflikte löse ich dann auf, indem ich (immer noch etwas vage) antworte: „Na ja, nicht wirklich. Da ist schon ein kleiner Trick dabei.“ So ehrlich muss ich dann bei einer konkreten Frage schon sein – und es bleibt ja unter uns.

Generell sehe ich meinen Umgang mit der Frage „Kannst du wirklich zaubern?“ nicht schädlich für die Kinder. Sie leben in dem Alter 5 – 8 in der Phase zwischen Wirklichkeit und Fantasie. Wenn sie spielen, sind sie Rennfahrer, Baumeister, Königin, Zauberer oder was auch immer (Ich war früher beim Fußball immer Uwe Seeler). Wenn das Spiel zu Ende ist, sind sie wieder Kind, Bruder oder Schwester. Das ist normal und fördert ihre Entwicklung.

Und ich sehe keinen Grund sie während meiner Zaubervorstellung darin zu behindern. Also spiele ich das Spiel mit, achte aber als Erwachsener darauf, dass ich keine eindeutig falsche Antwort gebe. Wenn also ein anderes, etwas weiter entwickeltes Kind behauptet: „Richtig zaubern kann keiner!“ würde ich sagen: „Ja, das glaube ich auch…“

3 thoughts on “„Kannst du wirklich zaubern?“ – Vol. II

  1. Danke Volkmar für deine wichtigen Gedanken. Ich finde es clever auf die Frage „ kannst du wirklich zaubern“ teilweise vage zu antworten und die Frage an die Kinder zurückzugeben. So erfahren wir auch, wo wir die Kinder emotional abholen können. Ein weiterer deiner Aspekte finde ich außerdem besonders entscheidend: Der Hinweis, dass wir auch manchmal das Bild des Zauberers gerade rücken müssen, nachdem Eltern, Lehrer, Erzieher , MEDIEN… etc. ein negatives Bild vermittelt haben.
    Viele Grüße, Bernhard

  2. Ich finde Kinder haben ein Recht auf Klarheit und Wahrheit. Deshalb sage ich: Ich versuche einen Zauberer zu spielen. Ob ich das gut mache darfst du nachher mir sagen.

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