Gestern hatte ich nach längerer Zeit wieder einmal einen Auftritt bei einem Kindergeburtstag. In den letzten zwei Jahren waren solche Events wegen der Corona-Einschränkungen praktisch nicht mehr auf meinem Spielplan. Scheinbar beginnt dieser Bereich wieder intensiver zu werden, da ich für die nähere Zukunft bereits weitere Buchungen vorliegen habe.
Generell habe ich immer gerne auf Kindergeburtstagen gezaubert. Inzwischen hält sich meine Begeisterung dafür in Grenzen. So traten auch gestern all die Stressfaktoren auf, die ich bereits 2006 in meinem Buch „Zauber?Kinder!“ beschrieben hatte:
- Vorführung im Wohnzimmer, also wenig Platz
- Kein vernünftiger Abstelltisch für meinen Koffer und die Requisiten, aber immerhin ein Versuch dazu 🙂
- Ablenkung“freundlicher“ Hintergrund (Schrankwand mit TV)
- Kinder sitzen zusammengequetscht auf der Sitzgruppe
- Die ganze Gesellschaft (7 Kinder) ist ziemlich aufgedreht
- Kinder kennen sich gut und haben Heimrecht. Das führt zu hemmungslosem Gerede und Aufspringen vom Sitz.
Alles wie immer…
Es war also alles wie immer, der entscheidende Unterschied war nur, dass ich seit 2006 17 Jahre älter geworden bin. Jedenfalls haben mich all diese Stressfaktoren ziemlich genervt. Erschwerend hinzu kam noch, dass es ein 5.ter Geburtstag war, zu dem auch einige 4-jährige eingeladen waren. Das Verständnis für magische Dinge war also noch in der Frühentwicklung. Das ist auch der Grund, warum ich solche Auftritte erst ab dem 5. Geburtstag annehme – aber auf die Auswahl der Gäste habe ich natürlich keinen Einfluss…
Die anwesenden 3 Erwachsenen trugen auch nach Kräften dazu bei, die Lage zu erschweren: Die Mutter hat sich zu den Kindern gesetzt. Das wäre nett, wenn sie nicht mehrfach während der Vorstellung auf die Kinder eingeredet hätte. Ich baue ein Verhältnis zu den Kindern auf, da stört es, wenn zeitgleich die Mama das Gleiche versucht. Die anwesende Oma hat sich mit einem Kind in einen offenen Nebenraum gesetzt und der Vater war vor dem Terrassenfenster damit beschäftigt, einen Grill aufzubauen (oder etwas in der Art). Alle also in Sichtweite der Kinder, aber mit anderen Dingen beschäftigt, was die Konzentration auf die Vorstellung nicht eben erhöht.
Das Programm
Trotz all dieser Einschränkungen, die ich erwartet hatte, habe ich mein Programm „Zauber?Kinder!“ gespielt und auch dieses Mal die Kindern nach den ersten beiden Kunststücken auf mich fokussiert. Sie haben sich bereitwillig auf mich und das Programm eingelassen, wir haben gemeinsam fast 60 Minuten gezaubert, inklusive der eingeforderten Zugabe.
„Zauber?Kinder!“ ist für Kindergeburtstage konzipiert. Alle Requisiten passen locker in meinen Koffer. Vor der Vorstellung nehme ich sie heraus und lege sie dahinter, und schon bin ich bereit für die Vorstellung. Alles, was benutzt wurde, lege ich im Koffer ab, und nach dem letzten Kunststück klappe ich diesen zu. Fertig, alles verpackt, kein Kind kann noch irgend etwas in die Finger nehmen.
Das Programm besteht aus 10 Kunststücken (alle ausführlich beschrieben ebenfalls in „Zauber?Kinder!“):
- Exit
- No tear (aus Zeitungsstücken entsteht eine komplette Zeitung)
- Eierbeutel
- Meine Version der Schirmillusion
- Malbuch
- Treffer (Tuch erscheint aus DS und wird in einen hohlen Apfel geschossen)
- Joros grandiose Münzwanderung
- Tücher verknoten, Kind zaubert die Knoten weg (nach Uwe Schenk)
- Alfred Kellerhofs „Schwiegermuttertrick“ in meiner Kinder-Version
- „Ende“ erscheint auf einer (Geister-) Tafel
Gestern gab es als Zugabe noch meine Routine „Seile im Hafen“, in der mehrere Seilkunststücke thematisch zusammengefasst sind. Gesamtspielzeit gestern ca. 60 Minuten
…und weg!
Direkt nach der Vorstellung klappe ich meinen Koffer zu und verlasse das Wohnzimmer. Ich möchte jetzt nicht mit den Kindern darüber diskutieren, wie die Tricks gehen. Also wimmel ich sie freundlich, aber bestimmt ab und gehe. (Das bespreche ich übrigens im Vorfeld mit den Eltern; Ich komme 5 Minuten vor Beginn der Vorstellung und fang sofort an. Nach der Vorstellung verschwinde ich so schnell wie möglich wieder.) Mama bringt mich noch zur Tür und gibt mir mein Honorar. Drei Sätze Smalltalk – und weg bin ich.
Das Honorar
Damit es noch etwas zum Streiten gibt, schreibe ich hier auch, wie viel Honorar ich für solch einen Auftritt bei Kindergeburtstagen nehme: 80,00 €.
„Was? So wenig? Dafür gehe ich nicht aus dem Haus!“ Ich kenne diese Sprüche und weiß, dass bei der Frage des Honorars am meisten gelogen wird. Ist mir aber egal. Ich schreibe hier mal auf, wie ich zu diesem Preis gekommen bin.
Zunächst muss ich sagen, dass ich nicht beruflich zaubere. Ich lebe sehr gut von meiner Schulleiter-Pension und brauche keine Nebeneinnahmen. Ich muss von dem Zauber-Honorar auch nicht – wie Berufler – meinen Lebensunterunterhalt, Krankenversicherung oder Altersvorsorge bestreiten. Wer das alles finanzieren muss, kalkuliert logischer Weise anders.
Ich muss davon nur die Steuer bezahlen, also muss es nicht so viel sein. Das Programm ist komplett finanziert, die Requisiten halten ewig oder ich kaufe eins oder zwei pro Jahr neu. Fahrtkosten habe ich in Bremerhaven so gut wie nicht, alles klein und überschaubar. Wenn ich außerhalb auftrete, lasse ich mir Fahrtkosten extra bezahlen. Vorbereiten muss ich mich für dieses Programm auch nicht mehr, ich hab es tausendfach gespielt: Ich packe es ein, ziehe mein Jacket an und kann auftreten. Insofern halten sich Zeit (die ich ohnehin reichlich habe) und Kostenaufwand sehr in Grenzen und ich bin mit einem Taschengeld zufrieden.
Meine soziale Ader
Womit ich auf meine soziale Ader zu sprechen komme: Ich glaube an das Ehrenamt und möchte allen gesellschaftlichen Schichten ermöglichen, Zauberkunst zu erleben (aus diesem Grund trete ich in meinem Zaubertheater sogar völlig ohne Eintritt auf und schreibe regelmäßig kostenlos hier im Blog).
Für mich gilt bei Kinder-Geburtstagen die Maxime: Eine Zaubershow für Kinder soll nicht mehr kosten, als wenn die Geburtstagsgesellschaft ins Kino, zum Kegeln, ins Bad oder sonst wohin eingeladen wird. Ich glaube, da liege ich mit meinem Preis ganz gut. Und last not least habe ich auch schon vor Jahren geschrieben: Ich hätte für die Feier des 7. Geburtstags meines Sohnes auch keine 250 € ausgegeben. Obwohl ich ihn über alles liebe und das Geld gehabt hätte.
Und schließlich wohne ich in Bremerhaven – eine Stadt, die zu den ärmsten Deutschlands zählt und eine Kinderarmutsquote von an die 50 % hat. Hier ist alles deutlich niedriger als im Rest unserer schönen Republik: Einkommen, Lebenshaltungskosten, Grundstücke und Häuser und eben auch mögliche Honorare für Künstler*innen. Insofern nicht vergleichbar mit anderen Städten oder Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg.
Insofern stehe ich auf dem Standpunkt: Jeder soll die Gage nehmen, die er haben will oder muss. In die Kalkulation spielen wie gezeigt viele Faktoren hinein, die letztlich jede/r für sich individuell klären muss.
Fazit:
Kindergeburtstage sind manchmal hartes Brot für mich. Zum Teil liegt das sicherlich auch am Alter, immerhin werde ich im November runde 70 Jahre. Da könnte es manchmal auch etwas ruhiger zugehen. Andererseits macht es mir aber großen Spaß zu sehen, wie die Kinder staunen und lachen. Das wiegt dann den Stress doch wieder auf…
Ich kann nichts in der Beschreibung entdecken, was ausschließlich für Zauberauftritte bei Kindergeburtstagen zutreffend wäre; mit leichten Verschiebungen gilt das u.U. auch für Zauberauftritte bei Erwachsenen Geburtstage, Hochzeiten, Jubiläen etc. die im privaten Rahmen stattfinden.
Lieber Volkmar,
Ich finde es gut und mutig von Dir, so offen auch über das Thema Gage zu schreiben. Das tun wir vielleicht viel zu selten. Die Familien in Bremerhaven haben Glück, für diese sehr faire Bezahlung ein so professionelles Angebot zu bekommen. Du musst dich für Deinen Weg in keinster Weise rechtfertigen. Für mich käme das persönlich allerdings nicht in Frage, da 1) in Hamburg die Bedingungen durchaus anders sind 2) meine zeitlichen Ressourcen sehr begrenzt sind und ich somit 3) alleine schon meiner Frau gegenüber finanzkräftigere Argumente liefern muss, damit ich auch einen vergleichbar schnell gemachten Kindergeburtstag in der Nähe annehmen „darf“..
Ich habe meine Gage in den vergangenen Jahren auch schrittweise angehoben und verlange nun für einen Kindergeburtstags-Auftritt wohnortnah zwischen 330 und 450 € zuzüglich 7% Steuer (je nach Wohnviertel bzw. Art der Anfrage). Mir ist bewusst, dass sich dies die meisten Familien nicht leisten können und ich somit ungewollt nur noch ein bestimmtes Klientel bediene. Vielleicht mache ich es auch wieder anders, wenn ich selbst in Rente gehe 🙂
Eine sehr schöne Beschreibung!
Ich nehme sehr gerne die wieder nachgefragten Kindergeburtstage an, wissend um Probleme und Schwierigkeiten. Aber das steckt man als ALTER Nichtprofi weg!
Zudem gibt es herausreißende Highlights, die ich nicht missen möchte!