Paralympics – weg mit dieser Alibi-Veranstaltung!

Kürzlich fanden in Paris die Paralympics statt – die olympischen Spiele für Menschen mit Behinderungen. Ich habe einige der Wettbewerbe im Fernsehen gesehen. Unter dem Strich bleiben bei mir zwei Eindrücke im Kopf haften:

  1. Große Anerkennung und größter Respekt vor den sportlichen Leistungen, dem Ehrgeiz und dem Leistungswillen der Sportlerinnen und Sportler
  2. Großes Unverständnis, warum die olympischen Spiele der Menschen mit Behinderungen von denen der Menschen (angeblich) ohne Behinderungen separiert werden.

Kurze Geschichte der Paralympics

Die Paralympics ziehen sich seit 1948 neben den „normalen“ Olympischen Spielen her. Immer fein im Schatten und kaum wahrnehmbar, weil lange so gut wie gar nicht darüber berichtet wurde. Zunächst wurde im kleinen Rahmen parallel zu den Olympischen Spielen Wettbewerbe unter dem Titel „Weltspiele der Gelähmten“ (1960 in Rom) durchgeführt, seit 1988 finden die Paralympics regelmäßig am gleichen Ort und in den gleichen Stadien wie die Olympischen Spiele statt. Allerdings erst 2 – 3 Wochen  später, damit das schön getrennt bleibt. Von 14 Teilnehmenden 1948 stieg die Anzahl auf 4400 in Paris in diesem Jahr. Im Vergleich: 11119 Athleten nahmen an den Olympischen Spielen teil.

Sicherlich haben sich die Paralympischen Spiele, wie sie offiziell heißen, im Laufe der Jahre zu einem großen Sportereignis entwickelt und werden auch in der Öffentlichkeit besser wahrgenommen. Man bemüht sich in TV, Politik und Presse ihnen die gebührende Aufmerksamkeit zu geben. Man kümmert sich um die Menschen mit Behinderung (fast) so sehr wie um die ohne Behinderung.

Wirklich? – Nein!

Von den Olympischen Spielen wurden in ARD und ZDF  240 Stunden live, dazu 1500 Stunden in Livestreams übertragen. Von den Paralympics lediglich 60 Stunden und etwa 100 in Livestreams. Das kommentiert DSB- Präsident Friedhelm Julius Besucher so: „Es gab zahlreiche wichtige und spannende Wettkämpfe mit deutscher Beteiligung bei diesen fantastischen Paralympischen Spielen, die leider nicht im TV oder Stream übertragen wurden. Diese Lücken in der Berichterstattung sind bedauerlich…“ Recht hat er, ich hätte gesagt: „…sind lumpig!“

Ist das Inklusion?

Die Paralympics sollen demonstrieren, dass Menschen mit Behinderungen genau so starke und herausragende Leistungen erbringen können wie andere Menschen auch. Können sie auch, wie on Paris zu sehen war. Es war beeindruckend, z.B. Schwimmer zu sehen, denen Arme und Beine fehlten und die dennoch wie Fische ihre Bahnen schwammen.

Die Paralympics sollen zudem ein Instrument für die dringend notwendige Inklusion von Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft sein. Um so weniger verstehe ich, warum sie dann so offensichtlich von den Olympischen Spielen abgekoppelt werden. Wenn das schöne Fest vorbei ist, gibt es eine Pause, und dann eine Anhängsel-Veranstaltung für die Aussätzigen. Pfui! Schämt euch.

Inklusion bedeutet: Alle gehören zusammen. Erst recht bei einem so vergleichsweise unwichtigen Thema wie Sport. Wo sich zudem noch die Möglichkeit bietet, Nachteile auf Grund körperlicher Einschränkungen durch geeignete Maßnahmen auszugleichen.

Nachteile können ausgeglichen werden

Warum kann ein beinamputierter Sportler nicht beim normalen 100 Meter Lauf mitlaufen? Vielleicht mit einem Ausgleich, dass er 4 Meter weniger laufen muss. Das sollte doch berechenbar sein, zumal die Zeiten nur gering voneinander abweichen (10,65 sec Paralympics, 9,79 sec Olympia) und die Menschen mit Behinderung ohnehin in Handicap-Klassen eingeteilt sind.

Und wie grotesk ist es denn, dass Weitspringer Marcus Rehm nicht bei „normalen“ Wettbewerben mitmachen darf, weil befürchtet wird, dass er mit seiner federnden Prothese einen Vorteil gegenüber anderen Athleten haben könnte? Selbst wenn – auch das könnte man ausgleichen, z.B. durch verkürzten Anlauf.

Wenn wir wirklich Inklusion umsetzen wollen – was ich für dringend geboten halte -, dürfen wir Menschen mit Behinderungen nicht von Veranstaltungen jedweder Art ausschließen und sie isoliert agieren lassen. Vielmehr müssen wir unseren Alltag so umgestalten, dass er von jedem und jeder zu bewältigen ist. Mit Hilfen, mit Unterstützung, mit Abbau von Barrieren.

Wie heißt es doch in dem TV Werbespot so treffend: Nicht der Mensch mit Behinderung ist das Problem, sondern die Treppe, die gebaut wurde. Baut die Treppen ab. Ein gleichmäßig ansteigender Weg führt auch nach oben und ist von allen zu bewältigen. Und im Winter ist er sogar zum Rodeln für Kinder zu gebrauchen.

Vereint Paralympische und Olympische Spiele!

Für den Sport und die Olympischen Spiele heißt das: Trennt euch von den Paralympics und nehmt die Menschen mit Behinderungen in das allgemeine Programm der Olympischen Spiele mit auf, passt die Regeln an die Einschränkungen an, wie es bei den Paralympics ohnehin schon gemacht wird.

Der große Slogan der Olympischen Spiele war und ist: „Dabei sein ist alles!“ Dann sorgt gefälligst auch dafür, dass alle dabei sein können und nicht manche ausgegrenzt werden!

Nachklang

Kürzlich war ich Zaunzeuge einer Veranstaltung in Bremerhaven, in der es um Sportmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen ging. Dort wurde hauptsächlich überlegt, welche Angebote es für diesen Personenkreis gibt – isoliert nur für diese. Und wie machen wir die bekannt?

Richtiger wäre meiner Meinung nach der Ansatz, bzw. die Forderung: Wir möchten, dass Menschen mit Behinderungen ganz selbstverständlich in jede bestehende Sportgruppe eintreten können. Wie können die Vereine dafür sorgen, dass die notwendigen Bedingungen geschaffen werden?

Nachklang 2

Unser Sportfreund Youssef (8 Jahre alt) spielt mit einem bewegungsunfähigen Arm ganz normal in unserer Fußball – Jugend mit. Gerne sogar als Torwart und er macht Einwürfe – mit einer Hand.

So what? So soll es sein, das verstehe ich unter Inklusion.

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