Eine Routine für Familienzauberer?
Von Roman Ertl
Seit einige Jahren ist dieses Kunststück, bei dem ein Hamburger Royal (Viertelpfünder) erscheint, auf dem magischen Markt -und weil auch gleich eine Portion Pommes frites dazukommt, wohl auch halbwegs erfolgreich. In den Rezensionen wird der Effekt auch wiederholt in Richtung Zauberei mit Kindern geschoben. Doch bloß, weil es thematisch passend für die Familienzauberei wäre, muss es nicht tatsächlich umsetzbar oder praktikabel sein. Schauen wir uns die Routine einmal an.
Der Zauberer lenkt die Aufmerksamkeit auf eine dreiteilige hochglänzende Speisekarte mit den bekannten Burger Speisemotiven, wie sie allen Familien, welche Schnellrestaurants besuchen, geläufig ist. Zentral prunkt eine Abbildung des Hamburger Royal; im Hintergrund die Tüte mit den Pommes. Der Magier zeigt die Speisekarte auch von der „Rückseite“ und beginnt ein Gespräch über leckere Mahlzeiten. Die Speisekarte wird zu einem Dreieck gefaltet und aus deren Mitte der Viertelpfünder gezaubert, der echt ist! Nach dem ersten Staunen holt der Familienentertainer noch eine Tüte Pommes aus dem Burgerkarten-Dreieck, ebenfalls echt!
Bei der Version Food to go 2.0 wird die Speisekarte wieder zurück gefaltet und wo einst die Abbildung des Hamburger Royal mit Pommes prunkte, sind deren Bilderschnitte nun leer und weiß, symbolisch also „weggezaubert“.
Gepäck und Requisiten
Zunächst möchte ich den Aspekt Gepäck bzw. Requisiten der Routine betrachten. Die Speisekarte ist flach faltbar. Die Nahrungsmittel, echte Burger und Pommes, die nach Aussagen der Anbieter einen Monat haltbar sein sollen, ohne besonders zu riechen oder sich zu zersetzen, brauchen einen stabilen Container zur Aufbewahrung mit dem notwendigen Platz dafür. Wenn Du feuchte, zittrige Hände hast oder den Burger zu kräftig produzierst und ihn dabei ramponierst, benötigst du ein Schnellrestaurant in der Nähe, der eine optisch ähnliche Burger-Variante wie auf der Abbildung hat, solltest Du die Routine durchführen wollen. Selbstverständlich können diese Nahrungsmittel nicht den Kindern ausgehändigt werden, da sie schnell der haptischen sowie gustatorischen Analyse unterworfen werden. Die Requisiten der Routine müssen vorher präpariert werden, da eine Ladung zwischendurch schwierig ist und sie benötigen zudem ihren Platz zum Abgreifen.
Die zeitliche Perspektive
Schauen wir uns nun die Zeitspanne der Routine an. Eine Präsentation der Burger-Speisekarte wird sofortige (begeisterte, aber schnelle) Reaktionen der Kinder hervorrufen. Der Druck zur magischen Handlung ist durch den raschen Spannungsbogen hoch. Das Zwischenspiel bis zu der Pommesproduktion tendiert zu einer quantitativen Steigerung. Auch das Verschwinden des Burgerfotos aus der Karte ist eher ein Abschluss, denn eine erneute Steigerung, da ein Verschwinden gegen ein reales Erscheinen verblasst. Deshalb sollte von der Spannungskurve gesehen, zuerst das Burgermotiv verschwinden und final die Nahrungsmittel erscheinen, doch dann müssten die eingebauten Flaps der Karte anders geordnet sein.
Mit pädagogischen Konversationen über die ausgewogene, gesunde Ernährung kann ein Zauberpädagoge zwar punkten und Zeit verbringen, doch muss er dann den Widerspruch zum diesbezüglich suboptimalen Burger überwinden. Denn auch wenn er Pommes und Burger schließlich in die Tonne wirft, muss diese Verschwendung legitimiert werden. Oder er kann, nachdem zum 3. Mal der Zauber nicht geklappt hat, Möhrchen mit geschnittener Paprika erscheinen lassen, die er verteilen kann und schließlich mit dem moralischen Finger auf die nun weißen Felder der einstig vorhandenen, ungesunden Speisen weisen. Wie dem auch sei, mehr als höchstens fünf Minuten gebe ich dem Geschehen um diesen Effekt in der Familienzauberei wirklich nicht. Außer Volkmar erfindet eine Burger-Weitwurfmaschine mit Pommes-Radierer (oder so).
Klappen und Winkel
Die Einübung der Routine mit den verschiedenen umklappbaren Flaps und deren sich spiegelnder Reihenfolge bei den Hin- und Her- und Zurückklappungen mit den unterschiedlichen, starken Magneten muss geübt werden, sollten die Futteralien nicht gleich vor die Nasen der Zuschauer klappen. Wenn diese Routine nur einmal im Monat aufgeführt wird, sehe ich schon sehr lustige Katastrophen für das Publikum voraus: Pommes für alle und den Burger für den Familienhund. Außerdem muss unbedingt die Winkelanfälligkeit beim Klappen beachtet werden, sollte nicht sogleich von der Seite der Ruf: „Da ist ein echter Burger drin!“ ertönen. (Foto: www.tesmarzauberartikel.de)
Weitere Gedanken
Nun ist es mit Food To Go 2.0 auch möglich, Süßigkeiten, Technikartikel oder eigene Requisiten nach dem gleichen System zu produzieren (siehe auch Temple Screen von U.F. Grant). Hier scheint eher durch die Chance auf eine individuelle Anpassung an Deinen eigenen Routinengang, z. B. mit Sponge- oder Klapprequisiten kombiniert ein Einsatz diskutierbar.
So bleibt am Ende bei einer abwägenden Beurteilung dieses Kunststückes für den Familienzauberer die individuelle Frage: Lohnt sich der Aufwand für so einen Effekt mit dieser Tricktechnik?
Für eine Produktion gibt es verschiedene andere einfachere Tricktechniken, die schicke glänzende Karte ist aber moderner und familiärer als die alte Glitzerbox.
Wertung:
2,5 von 5 Zauberzwergen