Hören und Sprechen
Kinder (und auch Erwachsene, aber um die geht es hier nicht) nehmen die Welt nicht nur durch Worte wahr, sondern nehmen Informationen mehrkanalig mit mehreren Sinnen auf. Was bedeutet, sie sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen ihre Umgebung – je nachdem, was möglich ist. Diese Tatsache sollten wir Zauberer beachten, um während der Vorstellung kein Kind zu verlieren.
Das Thema „Sehen“ habe ich im letzten Teil beleuchtet, kommen wir jetzt zum Hören und Verstehen. Für eine Zaubervorstellung mit Kindern ist es unerlässlich, auch mit den Kindern zu reden. Daher muss zunächst sichergestellt sein, dass die Kinder mich überhaupt erst einmal hören können. Sprich: Entweder sind die Kinder die ganze Vorstellung über sehr leise (was selten vorkommt und auch kaum das Ziel ist…) oder ich muss sehr laut reden, damit ich sie übertönen kann oder ich benötige eine Mikrofonanlage.
Meine „Schallgrenze“ dafür liegt bei ca. 30 Kindern. Bis zu dieser Zahl kann ich sie allein mit meiner Stimme „beschallen“, was allerdings auch von den Räumlichkeiten abhängt – unter manchen Umständen und bei guter Akustik können es auch viel mehr sein. Aber ab ca. 30 Kinder bringe ich eine Übertragungsanlage mit und baue sie auf. Kurz vor der Vorführung entscheide ich dann, ob ich sie wirklich benutze.
Eventuell am Ort vorhandene Anlagen benutze ich in der Regel nicht, die Erfahrung hat gezeigt, dass es damit oftmals Störungen oder Pannen gibt: Der Mensch, der die Anlage kennt, ist gerade nicht da, die Technik ist veraltet oder hat schlechten Ton, es fehlt ein wichtiges Teil, während der Vorstellung ist keiner mehr da, der den Ton regeln kann oder was auch immer. Das gilt natürlich nicht in professionellen Theatern, aber unsere Hauptauftrittsorte sind eben Kitas, Schulen und private Feste. Und deswegen habe ich meine kleine, aber feine Anlage dabei, mit der ich mich auskenne, die auf mich und meine Stimme eingepegelt ist und die ich auch in der Vorstellung notfalls in kurzer Zeit nachregeln kann.
Allerdings: Weder mit noch ohne Verstärkeranlage rede ich, wenn die Kinder gerade laut sind (was ich in meinen Vorstellungen gerne provoziere – ich mag keine Kinder, die nur leise sind). Das wäre ein Kardinalfehler, der die Lautstärke nur ins Unermessliche steigern würde. Also: Niemals versuchen, gegen die Kinder anzureden, sondern warten, bis sie wieder ruhig werden. Wenn die Kinder selber reden, hören sie dir nicht zu. Und wer nicht zuhört, verliert den Anschluss. Und wer den Anschluss verliert,… richtig: neigt zu Störungen.
Also warten, bis es leise wird und ggf. Zeichen geben, dass wieder Ruhe einkehren sollte, weil es gleich etwas Wichtiges, Spannendes, Lustiges, … zu sehen gibt. Kinder kennen solche Zeichen aus Schule oder Kita: Rechte Hand hochheben, den Zeigefinger auf den Mund legen, den „Schweigefuchs“ und andere mehr. Mit meiner gesamten „Körpersprache“ kann ich den Kindern signalisieren, dass ich wieder mehr Ruhe wünsche.
Und da Kinder wesentlicher netter, freundlicher und hilfsbereiter sind, als manchmal von verbitterten Erwachsenen behauptet wird, werden sie diesen Wunsch bald erfüllen – schließlich wollen sie den Fortgang der Show sehen.
Sprache
Generell sollte man sich hüten, in einer Kindervorstellung zu viel und/oder zu kompliziert zu reden. Die „Zuhör-Kapazität“ von Kindern ist begrenzt. Zu viele oder nur verbale Erklärungen während der Vorführung führen dazu, dass intellektuell langsame Kinder sich irgendwann wegen Überforderung ausblenden und den Anschluss verlieren. Und wer den Anschluss verliert….
Neben dem gesprochenen Wort sollte parallel möglichst oft auch zumindest einer der anderen Sinne der Kinder angesprochen werden. Kinder hören und lernen mehrkanalig.
Zugegeben ist es mit dem Schmecken, Riechen und Fühlen in einer Zaubershow nicht ganz einfach und würde hier zu weit führen. Aber dass auch diese Sinne in eine Zaubervorstellung passen, hat Ulrich Rausch 2010 in seinem Seminar in Bremerhaven demonstriert und in „Kids hoch 5“ beschrieben.
Wenden wir uns aber zunächst der Sprache zu, da diese in der Regel von allen Auftretenden benutzt wird. Ein Zauberkünstler sollte seine Wortwahl dem Wissensstand der Kinder anpassen. Eine „Kasserolle“ ist für diese ein Fremdwort, ebenso heutzutage ein „Kassettenrecorder“.
„Links“ und „rechts“ werden von jüngeren Kindern nicht automatisch richtig zugeordnet – „hierhin“ und „dorthin“ verstehen sie. Zudem muss links und rechts, wenn überhaupt, so benutzt werden, dass aus Zuschauer-Sicht links und rechts gemeint ist. Was bekanntlich genau andersherum als aus Sicht des Zauberers ist.
In Bezug auf Sprache sind zudem folgende Informationen wichtig und zu berücksichtigen:
Kurze Sätze
Sätze müssen altersgemäß kurz sein, sie sollen nicht durch mehrere Verschachtelungen unübersichtlich werden. Also NICHT: „Die Rakete, die mit zwei Astronauten besetzt war, die aus Russland und Amerika – zwei großen Ländern, die sich manchmal streiten – stammten, flog letztes Jahr im Sommer, als es gerade besonders heiß war und fast alle Kinder im Freibad waren, zum Mond.“ Vielmehr eher: „Die zwei Astronauten flogen letztes Jahr zum Mond. Es war Sommer und ziemlich heiß.“
Nur eine Information zur Zeit
Generell können Kinder (und auch Erachsene) nur 1 – 3 Informationen zur Zeit aufnehmen und ausführen. Es ist also zu viel zu sagen: „Stell dich bitte jetzt hier neben den Tisch, dann nimmst du den Block und malst einen Menschen darauf. Schreibe deinen Namen unter das Bild, lege es in den Umschlag und gib es einem Kind im Publikum.“ Das sind 6 Informationen zugleich und eindeutig zu viel.
Richtig und problemlos ausführbar wäre immer nur eine Information zur Zeit, die dann umgesetzt wird. Erst dann wird die nächste Information erteilt, also:
„Stell dich bitte jetzt hier neben den Tisch.“ – Macht Lena.
„Nimm den Block und einen Stift.“ -– Macht Lena.
„Male bitte einen Menschen darauf.“ – Macht Lena.
„Schreibe deinen Namen unter das Bild.“ – Macht Lena.
„Lege das Bild bitte in den Umschlag.“ – Macht Lena.
„Und jetzt gib den Umschlag einem Kind im Publikum.“ Macht Lena.
Das sieht zwar auf den ersten Blick wesentlich länger aus, aber die Ausführung dauert maximal gleich lang, weil Lena jede Information versteht und sofort umsetzen kann. In der ersten Version wird sie zunächst unsicher wegen der langen Rede, die sie gar nicht aufnehmen kann und wird unterwegs das eine oder andere vergessen, was ihr dann noch einmal erklärt werden muss. Also: Weniger ist manchmal mehr!
Sprech-Rhythmus
Unser Sprechrhythmus beeinflusst, ob Kinder uns gut verstehen. Gemeint ist damit zunächst die Sprachgeschwindigkeit: Schnelles Sprechen verhindert gutes Verstehen, weil viele Silben oder Wortenden verschluckt werden. Mit der Tonhöhe und –senkung kann ich Interesse beim Hörer erzeugen. Wenn ich alles gleichmäßig herunter-“leiere“, könnten Kinder einschlafen. Pausen können gezielt gesetzt werden, sie erzeugen Spannung und Interesse.
Es hilft also den Zuschauern – und damit mir – wenn ich in meinem Sprechrhythmus variabel bin.
Deutlich und korrekt sprechen
Wortwahl, Grammatik und Aussprache müssen deutlich, klar und korrekt sein, denn wie soll mich sonst irgendjemand verstehen? Und wer nichts versteht, schaltet ab und wer abschaltet neigt zu Störungen.
Regionale Dialekte dürfen natürlich in der betreffenden Region benutzt werden, in anderen Gegenden aber nur, wenn sie so benutzt werden, dass sie dem Hochdeutschen nahekommen. Also quasi Hochdeutsch mit z.B. kölschem Einschlag, im Kölner Raum hingegen selbstverständlich auch echtes Kölsch. Es wäre aber schon blöd, wenn ich im z.B. im Saarland reinstes Friesen-Plattdeutsch sprechen würde. Denn das würde vermutlich niemand verstehen…
Schweigen
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Es schadet kein bisschen, während der Vorstellung auch einmal nichts zu sagen. Zauberkunst ist ja in großen Teilen visuell und oft auch selbsterklärend, so dass man auch des Öfteren stumme Effekte oder Szenen einbauen kann. Entweder können dann die Kinder einmal verbal Dampf ablassen, ohne dass es jemanden stört, oder es ergibt sich einfach eine ruhige Atmosphäre.
– wird fortgesetzt –