Körpersprache
Unterschätzt wird die Wirkung der Körpersprache, dabei kann sie sehr hilfreich in einer Vorstellung sein. Durch meine Bewegungen lenke ich die Aufmerksamkeit der Kinder auf (für mein Kunststück) wesentliche Dinge, ohne ein Wort zu sagen, d.h. ich bediene statt des Hörsinns zur Weitergabe von Informationen zur Abwechslung das Auge. Abwechslung erzeugt Interesse.
Ich kann so zum Beispiel eine stramme Körperhaltung einnehmen, mit stolzem und wichtigem Gesichtsausdruck meinen linken Arm mit einem Tuch ausstrecken. Um dann rechts zuerst den Finger zu heben („Achtung!“) und dann zum Tuch zu zeigen. Was bedeutet: „Guckt mal, da geschieht mit dem Tuch gleich eine Sensation!“
Oder ein Kind zieht aus dem Changierbeutel statt der erwarteten Tücher einen Seidenstreamer. Die Wirkung kann ich nonverbal erhöhen, indem ich mich ruckartig herunterbeuge und mit den Augen 5 cm vor dem Streamer äußerst erstaunt erstarre. Das signalisiert dem Publikum: „Etwas Unglaubliches ist geschehen!“ Die Faustregel für solche Bewegungen ist wie immer auf der Bühne: Wenn ich selber meine, ich habe meine Bewegung extrem überzogen, dann ist sie für das Publikum gerade richtig erkennbar.
Ebenso kann ich negativ mein Kunststück oder die Handlung eines helfenden Kindes durch meine Körperhaltung abwerten, wenn ich nicht aufpasse, was ich tue. Wenn z.B. das Kind mit dem Zauberstab die kleine Kiste berühren soll um den Zauber auszulösen, sollte ich gebannt zusehen – so dicht dran wie möglich, aber vorsichtig, weil man ja nie weiß, was passieren wird. Kontraproduktiv wäre in diesem Falle, das Kind machen zu lassen und schon mal das nächste Requisit aus dem Koffer zu holen. Damit würde ich – ohne ein Wort zu sagen – allen Zuschauern mitteilen: „Das ist gar nicht so wichtig!“
Mit Hilfe der Körpersprache kann ich auch Kinder (wieder) zur Ruhe bringen. Wenn ich mich auf die Bühne stelle und die Kinder einfach nur ansehe, wissen die, dass ich etwas sagen möchte und werden oftmals ruhig. Könnte ja sein, dass das, was ich sage, wichtig oder zumindest lustig ist.
Wenn ich dazu die rechte Hand hebe, wird das Zeichen noch deutlicher und noch mehr, wenn ich zusätzlich von der anderen Hand den Zeigefinger auf den Mund lege und die Kinder mit dringenden, auffordernden Blicken anschaue. Und dazu den inneren Dialog spreche (also nicht laut, aber gerne mit Lippenbewegungen): „Passt mal auf, was hier gleich für ein grandioses Wunder geschieht!“
Kinder kennen diese Zeichen aus der Schule und Kinder sind generell kooperativ veranlagt, d.h. sie beachten diese Zeichen auch und werden ruhig.
Also merke: Einsatz von Körpersprache ist ein ausgezeichnetes Mittel, um die Aufmerksamkeit und die Aktivitäten der Kinder ohne Worte zu lenken.
Die Komfortzone
Ebenfalls oft nicht im Fokus der Beachtung ist die Einhaltung der „Komfortzone“ eines Mitmenschen, die eine Feinheit der Körpersprache darstellt. Generell hat jeder Mensch, also auch jedes Kind, eine räumliche Distanz zu seinen Mitmenschen, bei der er sich während der Kommunikation wohlfühlt. Im Normalfall beträgt dieser gute Abstand etwa 50 – 100 cm. Ist man weiter voneinander entfernt, wird der Austausch schwieriger, weil es keine direkte Verbindung mehr gibt – alles wird etwas unverbindlich.
Kommt man dem Kind aber zu nahe, dringt man in dessen „Intimzone“ ein, die quasi eine Schutzzone zur Umwelt darstellt. Wenn ich darin eindringe, fühlt sich das Kind bedrängt und unwohl. Das kann zu Verunsicherungen und Unruhe führen, im Extremfalle weicht das Kind immer weiter zurück, um sich der unangenehmen Situation zu entziehen. Das ist selbstverständlich nicht förderlich für die Interaktion mit dem Kind und somit für die Vorstellung. Also: Immer den richtigen Abstand halten.
Wenn wir aber diese hilfreichen Grundlagen der Körpersprache kennen (z.B. durch Literaturstudium oder VHS-Kurse) und sie verinnerlicht haben, so können wir uns angemessen richtig auf der Bühne verhalten und die Vorstellung steuern, ohne dabei immer viele Worte machen zu müssen.
Bin ich als Zauberer Pädagoge?
Wir sollten nicht darum herumreden: Eine Zaubervorstellung hat auch viel mit Pädagogik zu tun. Pädagogik ist die Lehre von der Erziehung, sie befasst sich damit, wie Kinder (und auch Erwachsene) etwas lernen, wie sie sich verhalten und wie wir darauf Einfluss haben.
Nun wollen wir in einer Zaubervorstellung den Kindern kein Fachwissen oder andere Fertigkeiten beibringen und wollen sie auch nicht erziehen. Aber wir wollen sie beeinflussen, damit sie der Vorstellung gespannt folgen und sie nicht stören. Zudem dürfen wir nichts tun, was den Kindern unangenehm in Erinnerung bleibt und vielleicht negative Folgen für ihre Entwicklung hat, und schließlich müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir als Künstler auf der Bühne eine gewisse Vorbildrolle einnehmen. Die Kinder vertrauen uns und ahmen vielleicht unser Verhalten nach.
All diese Bereiche fallen in den Bereich der Pädagogik, die ganz und gar nicht darauf begrenzt ist, mit erhobenem Zeigefinger zu sagen, was richtig und falsch ist. Ganz im Gegenteil bewirken manche kleinen spontane, dezente Hinweise, ein richtiges Wort an der richtigen Stelle oder eine kleine Geste manchmal viel mehr in der Entwicklung eines Kindes als ein lange vorbereiteter und eingeübter Vortrag. Und was positiv gilt, funktioniert auch negativ: Ein falsches Wort zur falschen Zeit, ….
Wir müssen als Zauberkünstler also wissen, was wir im Umgang mit den zusehenden Kindern tun dürfen und was wir besser lassen sollten. Pädagogik heißt in unserem Falle: Die Kinder auf ihrer Entwicklungsstufe ernst zu nehmen, sie mit Respekt zu behandeln und die Vorstellung so aufzubauen, wie es ihre Altersstufe und ihr Entwicklungsstand erfordern. Und dabei müssen wir uns bewusst sein, dass wir als Zauberer immer eine gewisse Vorbildfunktion haben und erzieherische Wirkung erzielen.
Kinder schauen sich ihr Verhalten von den Erwachsenen ab, besonders von denen, die sie beeindruckt haben. Dazu gehören eben hoffentlich auch wir Zauberkünstler*innen. Es gibt also pädagogische Einflüsse, die wie planen, aber ebenso welche, die sich quasi einfach so nebenbei aus unserer Persönlichkeit, unserem Vorbild und unserem Handeln ergeben. Wie sagte schon Karl Valentin so richtig: „Wir können Kinder nicht erziehen, sie machen uns sowieso alles nach.“
Pädagogisch handeln müssen wir zum einen beim Aufbau unserer Vorstellung, dann aber noch viel mehr bei der praktischen Umsetzung der einzelnen Kunststücke. Und das ganz selbstverständlich und in dem Sinne, wie auch Boretti einen alten Puppenspieler zitiert: „Man braucht sich nicht pädagogisch zu nennen, man muss im Spiel pädagogisch sein.“ (Boretti: Zauberland-Kinderland, Band 1).
Die vier große „R“
Der pädagogische Umgang mit anderen Menschen lässt sich auf vier einfache Schlagworte reduzieren. Wenn man diese versteht und sich nach ihnen verhält, wird ein positives soziales Klima geschaffen, in dem man produktiv mit seiner Umwelt kommunizieren und arbeiten kann. Natürlich umso mehr, wenn alle Beteiligten die gleichen Umgangsweisen beherzigen.
Ich habe diese „4 großen R“ in meiner letzten Grundschulklasse vor meiner Pensionierung thematisiert und zur Erinnerung danach ständig ein großes goldenes R auf meinem Lehrertisch stehen gehabt. Man mag es glauben oder nicht, aber seit diesem Zeitpunkt waren Streitigkeiten und Undiszipliniertheiten absolute Ausnahmen und es herrschte über mehrere Schuljahre ein entspanntes, positives Klima in der Klasse.
Was allerdings auch nur klappt, wenn man die Umsetzung der vier große R nicht nur von den Kindern erwartet, sondern sie auch selbst vorlebt.
Womit wir wieder auf der Zauberbühne sind. Mein Verhalten als Zauberkünstler beeinflusst das Verhalten der Kinder im Publikum. Ich bekomme von Kindern umgehend mein Benehmen zurück gespiegelt. Und so liegt es also an mir, wie sich das Kinderpublikum in meine Vorstellung einbringt, ob wir Spaß haben oder ob wir Konkurrenz und Stress haben. Halte ich die 4 großen R ein, tun es die Kinder auch.
Und hier sind sie nun, die mehrfach erwähnten „4 großen R“:
- Respekt
- Ruhe
- Regeln
- Rücksicht
Was ist damit konkret gemeint? Wenn das Prinzip funktionieren soll, ist es notwendig, dass möglichst alle dasselbe unter diesen Begriffen und deren Handlungsumsetzungen verstehen.
Respekt
bedeutet, dass ich mein Gegenüber genauso akzeptiere, wie er/sie ist. Kein Mensch ist vollkommen, jeder hat irgendeine mehr oder weniger kleine Macke. Die muss ihm zugestanden werden, so lange sie niemand anderem schadet, mit ihr muss man leben und sie akzeptieren.
Über Aussehen, Religion, Herkunft, gesundheitliche Handicaps und ähnliche Dinge gibt es schon einmal überhaupt nichts zu sagen oder zu diskutieren. Mensch ist Mensch und fertig!
Noch einmal: Respekt meint, sein Gegenüber genauso zu akzeptieren, wie er*sie ist. Das heißt nicht, dass ich mit jeder Handlung einverstanden sein muss, selbstverständlich kann ich anderer Meinung sein und das auch sagen. Aber man muss absolut trennen zwischen Person und Handlung. Was in der Praxis auch genauso gesagt werden kann: „Ich finde dich sehr nett, aber dass du hier durch die Vorstellung redest, finde ich nicht okay! Das stört.“
Ruhe
hat in diesem Zusammenhang eine doppelte Bedeutung. Zum einen meint sie natürlich Ruhe im Sinne von Lautstärke und störendem Reden, die beide während einer Zaubervorstellung nicht erwünscht sind, weil sie stören.
Ruhe bedeutet aber noch viel mehr, dass wir alles, was wir tun, in Ruhe und Gelassenheit machen. Keine Hektik, keine Panik, keinen Stress, immer mit der Ruhe. Wenn etwas gelingt, freuen wir uns kräftig darüber, wenn aber etwas misslingt, ist das auch nicht schlimm und kein Grund für Streit und Vorwürfe. Dann probieren wir es eben noch einmal, notfalls anders oder mit Unterstützung.
Fehler gehören zum Leben dazu, aus Fehlern lernen wir. Und daher darf der Zauberkünstler genauso etwas falsch machen, wie das mitzaubernde Kind auf der Bühne oder Kinder im Publikum. Ein eventuell auftretender Fehler wird ohne Vorwürfe korrigiert, man hilft sich gegenseitig und die Show geht stressfrei weiter.
Regeln
Im sozialen Zusammenleben gibt es Regeln, deren Einhaltung dazu führt, dass sich alle Personen wohl fühlen können. Deswegen ist ihre Einhaltung notwendig. Im großen gesellschaftlichen Zusammenhang genauso wie in einer Zaubervorstellung. Das ist auch Kindern im Schulalter bewusst und generell halten sie sich daran, manchmal müssen sie eben auch (genau wie ich selbst in meinem hohen Alter) daran erinnert werden.
Für meine Zaubervorstellung gelten folgende Regeln:
- Auf die Bühne darf nur ein Kind, dem ich es erlaubt habe, weil es sonst zu voll und unübersichtlich wird
- Die Kinder sitzen im Publikum, denn wenn sie aufstehen, können ja die anderen nichts sehen
- Meine Requisiten dürfen nur mit meiner Erlaubnis angefasst werden, weil sie mir teuer und wertvoll sind. Ich fasse Dinge der Kinder auch nicht einfach an, ohne vorher zu fragen.
- Zauberer und Kinder reden freundlich miteinander
Diese Regeln werden nicht vor der Vorstellung abgesprochen, sondern ich setze sie einfach als bekannt voraus. Aber ich setze sie während der Vorstellung durch, wenn sie missachtet werden. D.h. ich spreche das Kind, das gegen eine Regel verstößt, freundlich an, sage ihm, was es gerade falsch macht und sage ihm auch, warum das nicht geht. Kein Verbot sollte ohne Begründung ausgesprochen werden, denn die Erläuterung hilft dem Kind, zu verstehen, warum die Einhaltung wichtig ist und es akzeptiert sie dann leichter.
Rücksicht
bedeutet weitgehend die Regeln einzuhalten, denn die Regeln dienen ja eben genau dazu, dass gemeinsame Miteinander problemlos zu gestalten und auf andere Menschen Rücksicht zu nehmen. Aber manchmal ist doppelt gemoppelt besser als zu einfach gestrickt.
Rücksicht bedeutet auch sich gegenseitig zu helfen. Im Zuschauerraum, wenn jemand nichts sehen kann, mal einen Stuhl anders hinzustellen. Auch mal eine Minute die Vorstellung zu unterbrechen, wenn ein Kind dringend zur Toilette gehen muss oder ein Glas Cola umgekippt ist oder dem Kind auf der Bühne unaufdringlich bei einem Knoten zu helfen, den es doch nicht alleine hinbekommt.
Die Einhaltung der „4 großen R“ hilft uns, eine entspannte Atmosphäre für die Zaubervorstellung zu schaffen. Wenn das Programm dann auch noch so aufgebaut ist, dass die Erwartungen der Kinder umgesetzt werden, wir also Rücksicht auf sie nehmen, steht einem tollen Erlebnis für alle Beteiligten nichts mehr im Wege.
Und dafür benötigst du nur noch ein tolles Programm!
Ende.