„Wir haben viel Scheiße gebaut“

© dpa/Deutsches Museum Für Karikatur – Max and Moritz

Genau diese Überschrift habe ich am vergangenen Sonntag im „Bremerhavener Sonntagsjournal“ gelesen – und fühlte mich direkt angesprochen. Warum? Weil dieser Satz auch für mich, ebenso wie wahrscheinlich für alle anderen Menschen, zutrifft.

Mit „Scheiße bauen“ verbinde ich einfach mal, dass gemeint ist, gegen die gesellschaftlichen Normen zu verstoßen. Teilweise aus jugendlichem Leichtsinn, wobei hier durchaus „jugendlich“ bis weit in die 20er Jahre oder älter gedacht werden kann. Teilweise aber auch absichtlich, weil man manche gesellschaftliche Norm weder verstehen noch gar akzeptieren kann.

Gesellschaftliche Normen, also die Erwartung, welches Verhalten akzeptabel ist und welches „falsch“ ist, haben aber immer Menschen gesetzt. Logischerweise ältere vor uns, denn die Normen bestehen ja und gründen sich auf die Lebenserfahrung und Ansichten unserer Vorgänger-Generation.

Eine nachrückende Generation wächst zunächst mit den Ansichten ihrer Eltern auf, was man Erziehung nennt. Im Laufe eines Lebens entwickeln sich aber bei Jugendlichen eigene, neue und teilweise auch andere Ansichten und Erkenntnisse und Handlungsweisen. Die können durchaus gegen die geltende Norm verstoßen. Ein kleines harmloses Beispiel ist hier die Sprache. In meiner Kindheit waren die Wörter „Scheiße“ oder „geil“ absolute Tabu-Wörter, die sofort einen Verweis oder eine Ohrfeige einbrachten. Heute sind sie eher veraltete Normalwörter, über die sich niemand mehr aufregt.

Lass doch der Jugend ihren Lauf

Jugendliche und junge Menschen wollen ihre eigenen Lebenserfahrungen machen, nach ihren Vorstellungen handeln und sich von den „alten weißen Mannen und Frauen“ abheben und abgrenzen und ihre eigenen Lebenspläne entwickeln. Und das ist auch gut so.

Bei diesem Vorhaben entwickeln sich zum Teil positive Verhaltensweisen, die die Welt voranbringen, manche Dinge erweisen sich aber auch als Flop. Na und? Auch das gehört zum Leben und kann als Lebenserfahrung abgeheftet werden.

Ich habe in meinem Leben auch viel Scheiße gebaut. Andererseits denke ich, dass ich auch sehr viel richtig und gut gemacht habe. Ich habe mich als junger Mensch gegen „altbackene“ Erziehungsziele von Erwachsenen in meinem Umfeld aufgelehnt, habe gegen Regeln und Gesetze verstoßen, die ich für unsinnig hielt und versucht, sie zumindest in meinem Mini-Kosmos zu verändern. Unsere Parole war: „Trau keinem über 30!“ – das waren für uns die „Altbackenen“.

Das hat zu Konflikten (auf harmloser Ebene) mit der Justiz und Behörden geführt und mir sogar 3 Tage Untersuchungshaft in Schweden eingebracht. (Details dazu sind in meiner Biografie Glückskind zu lesen). Aber – es war den Spaß wert! Ich habe mich nicht verbogen und bin meinen Weg gegangen, den ich für richtig hielt und mache das heute noch, auch wenn ich gelegentlich damit anecke.

Die Welt wurde nur von Rebellen verändert

Nach diesem Grundsatz habe ich gehandelt. Nicht mit Gewalt, die verabscheue ich, aber mit Handlungsweisen, Diskussionen, zivilem Ungehorsam und Überzeugungsarbeit. Wenn mir etwas nicht gefällt, versuche ich, es im Rahmen der legalen Möglichkeiten zu ändern. Mal klappt das, mal nicht. Dann kann man es später noch einmal versuchen.

Rebellen sind für mich auch Jugendliche, die auf dem Weg sind, ihren Weg ins und durch das Leben zu finden. Sie versuchen, sich in das bestehende System zu integrieren, aber sie versuchen auch, das System nach ihren Vorstellungen zu verändern. Das ist ihr gutes Recht und sogar ihre Pflicht, wenn sich die Erde und die Menschheit weiter verbessern sollen. Neue Zeiten brauchen neue Ideen und neue Wege. Die werden kaum noch von meiner Generation 70+ kommen, sondern von den nachwachsenden jungen Menschen.

Wir Oldies müssen ihnen diese Möglichkeiten geben, es wird ihre Welt, in der sie leben wollen, sollen und müssen. Ich freue mich, dabei zuzusehen und neue Entwicklungen zu unterstützen, wo ich es kann.

Und ich appelliere an alle Oldies: Macht Platz für neue Ideen und junge, aktive, kreative, engagierte junge Menschen, auch wenn wir manchmal nicht wirklich verstehen, was sie da tun und reden.

Und lasst sie dabei auch „Scheiße bauen“, so wie wir es auch gemacht haben.

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