Darf ich oder darf ich nicht?

Immer wieder werden kontroverse Diskussionen zu drei Themen in Bezug auf Zaubervorstellungen für Kinder geführt:

  1. Feuer in einem Zauberprogramm für Kinder?
  2. Bonbonproduktion?
  3. Kinder anfassen?

Ich möchte dazu meinen Standpunkt darlegen, wie er sich aus meiner Grundhaltung: „Kinder ernst nehmen und respektieren“ ergibt.

Feuer in einem Zauberprogramm für Kinder?

Ich bin der Meinung, dass Feuer in bestimmten Situation zur Lebenswelt auch von Kindern gehört: Kochen am Gasherd, Kamin, Kerzen zu Weihnachten, übertragen sogar als Antriebskraft für Flugzeuge. In diesen Zusammenhängen ist „Feuer“ Thema von Unterrichtseinheiten in Kindergärten und Schulen. Es gibt also keinen Grund, das Thema tot zu schweigen.

Altes Foto: Den Raketen-Start spiele ich inzwischen im Kinderprogramm ohne Feuer. Ich sage den Kindern: „Wir tun nur so als ob!“ Und sie machen den Raketenlärm: Klatschen, trampeln, schreien – ganz großes Kino! 🙂

Es gibt aber Grund vorsichtig damit umzugehen, denn Kinder lernen auch in der Schule, dass Feuer gefährlich ist und nur zu dem vorgesehenen Zweck und unter Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen benutzt werden darf. Daraus resultiert meine Einstellung, dass man in Zaubervorstellungen für Kinder Feuer benutzen darf, wenn es inhaltlich logisch zum Trick passt und gehört. Wenn ich Bonbons kochen will, darf ich also den Kochtopf erhitzen. Was man übrigens nicht tut, indem man eine Flamme in den Topf wirft… – ich halte ein angezündetes Feuerzeug kurz unter den Topf. Nach etwa 3 Sekunden spiele ich, dass es so heiß wird, dass ich mir angeblich die Finger verbrenne und schnell alles auf den Tisch stelle. Die Warnung vor Feuer ist also inbegriffen und kommt an.

Wenn ich eine Rose erscheinen lassen möchte, ist Feuer dazu eine unlogische Zutat. Der Pyrofaden lenkt zwar toll ab, aber er hat keinen Bezug zur Rose. In diesem Falle ist Feuer für mich also nicht in Ordnung.

Mit dieser Marschroute fühle ich mich sicher und wohl, und ich kann sie anderen gegenüber vertreten. Aber letzten Endes muss dieses sensible Thema jeder für sich entscheiden und dazu überlegen, ob er die Verantwortung für sein Handeln auf der Bühne übernehmen kann.

Bonbonproduktion?

Die Bonbonproduktion ist ein traditioneller Abschlusstrick für Kinder-Zaubervorstellungen. Er hat seine Wurzeln in der Zeit, als es noch üblich war, im Einkaufsladen oder beim Fleischer einem Kind eine kleine Nascherei zuzustecken. Niemand dachte sich dabei etwas Böses, schon gar nicht der Zauberer auf der Bühne – man wollte einfach Kindern eine Freude machen. Warum auch nicht?

Insofern habe ich bis heute generell nicht das Problem, Bonbons für Kinder zu zaubern und die Süßigkeiten dann auch essen zu lassen. Das Argument, es gäbe viel zu viel Kinder, die Milch- oder sonstige Allergien haben, halte ich für unsinnig. Kinder, die diese Allergien haben, wissen das und nehmen von sich aus nichts, was ihnen nicht bekommt. Und bei kleineren sind in der Regel Eltern oder Erziehungspersonal dabei, die aufpassen.

Ich habe andere Bedenken, und die bewegen mich, die Bonbonproduktion – wenn überhaupt – nur im kleinen Kreis, sprich: auf Kindergeburtstagen, einzusetzen.

Bedenken Nummer 1:

Wir erziehen generell Kinder dazu, von fremden Menschen nichts anzunehmen. Dieses Erziehungsziel halte ich für richtig, damit Kinder lernen, in bestimmten Situationen „Nein!“ zu sagen. In einer großen Zaubervorstellung, z. B. in einer Schule, bleibe ich für die Kinder ein Fremder. Zwar hoffentlich ein netter, aber immerhin ein Fremder. Auf Grund der großen Personenzahl kann sich kein enges Verhältnis ergeben. Insofern sind für mich Bonbon-Geschenke unpassend.

Anders verhält es sich bei einem Geburtstag. Dort bin ich auf Einladung des Kindes, bzw. dessen Eltern, in deren Räumlichkeiten zu Gast. Wir bauen schnell ein persönliches Verhältnis auf und haben viel Spaß im überschaubaren Kreis. Und die Eltern des Geburtstagskindes sind mit dabei. In diesem Rahmen entsteht ein intimeres Verhältnis, bei dem ich nicht so fremd bleibe, wie auf einer großen Bühne. Hier würde ich mich trauen, den Kindern Bonbons anzubieten.

Bedenken Nummer 2

Die Bonbonproduktion sprengt oftmals das Ende einer Zaubervorstellung, weil die Kinder sich nun auf die Bonbons stürzen und sie essen wollen. Ich aber möchte meine Zaubervorstellung stilvoll und mit meinem Dank und mit einem gemeinsamen Abschlussapplaus zu Ende bringen.

Im großen Rahmen erscheint mir das schwierig, da gegen 100 gierige Kinder wenig Kraut gewachsen ist. 10 Kinder auf einem Geburtstag kann ich aber noch kurz mit dem Versprechen beruhigen, ihnen gleich die Bonbons zu geben – nachdem wir uns mit einem schönen gemeinsamen Applaus voneinander verabschiedet haben.

Kinder anfassen?

Auch diesen Aspekt sehe ich nicht dogmatisch, sondern abhängig von Personen und Situationen. Generell respektiere ich, dass man fremde Menschen (Erwachsene wie Kinder) nicht „betatscht“, schon gar nicht an erogenen Zonen. Keine Frage. Mitteleuropäische Konventionen sehen vor, dass man sich an den Händen anfasst, bei näherer Bekanntschaft darf man sich auch schon mal um den Hals fallen.

Kinder anfassen? Manchmal ja. Aber mit Respekt.

Andererseits ist es nicht unüblich, Personen, die am falschen Platz stehen, einfach mal ein wenig an die Seite zu schieben oder in Form von Regie-Arbeiten sie an die richtige Position zu leiten. Manche Unsicherheit von Kindern in Schulen verschwindet, wenn man ihnen einfach einmal beruhigend eine Hand auf die Schulter legt – andere Kinder fühlen sich dabei aus unterschiedlichsten Gründen äußerst unwohl.

Und genau so vielfältig, wie das wahre Leben ist, sehe ich auch das Verhalten eines Künstlers auf einer Zauberbühne. Konkret: Ich finde überhaupt nichts dabei, einen Zuschauer (Erwachsenen oder Kind) anzufassen, um ihn auf der Bühne zu dirigieren oder ihm taktile Zeichen (z. B. Beruhigung) zu übermitteln. Dabei ist natürlich der Kontakt zu Körperzonen tabu, die auch nur im Entferntesten als intim anzusehen sind. Und die Kontaktgrenze liegt schlicht und ergreifend da, wo mir der Zuschauer signalisiert (z. B. durch leichtes Zurückweichen), dass er Distanz wünscht. Dann ist mir sein Wunsch Befehl.

Nachgedanken

Kinder sind sehr empfindliche Wesen – auch wenn man das manchen nicht auf den ersten Blick ansieht. Auch laute und auffällige Kinder sind oftmals leicht verletzlich, denn jedes Verhalten ist zugleich auch ein Schutzmechanismus vor möglicherweise verletzenden Angriffen. Wenn wir gemeinsam mit Kindern zaubern, müssen wir wissen, wie Kinder denken und fühlen, um angemessen mit ihnen auf der Bühne und in der Vorstellung umzugehen.

Da jedes Kind anders ist, erhalten wir aber leider niemals exakte Kenntnis über genau das Kind, das gerade mit auf unserer Bühne steht – und das ist vielleicht auch gut so, denn auch wir Erwachsenen haben ja so unsere kleinen Geheimnisse.

Wie aber verhalte ich mich nun richtig? Manchmal ist die Welt zum Glück erfrischend einfach:

Frag einfach das Kind auf der Bühne, wie es ihm geht.

Behandle es mit dem gleichen Respekt wie einen Erwachsenen.

Beobachte Deinen Gast auf der Bühne ganz genau, dann weißt Du, wie er sich fühlt.

Und dann merkst Du ganz schnell, ob du alles richtig gemacht hast!

One thought on “Darf ich oder darf ich nicht?

  1. Lieber Volkmar – ein sehr schöner Artikel mit ein paar tollen Gedanken.
    Gerne meine Gedanken zu diesem Thema – auch wenn Du persönlich diese bestimmt bereits kennst 😉

    @Feuer / gefährliche Gegenstände:

    Prinzipiell vertrete ich die Meinung, dass es in einem Zauberprogramm für Kinder erst einmal keine Tabus gibt bzw. geben sollte. Lässt sich ein Thema motivieren – warum nicht?
    Und vor allem beim Thema „Feuer“ finde ich diese Übervorsicht immer albern, denn selbst im Kindergarten zünden viele Kinder im Morgenkreis eine Kerze an …
    Schwierig finde ich jedoch – und das beschreibst Du sehr treffend – die MOTIVATION in einer Zaubershow für Kinder. Und vor allem Feuer wird allgemein in der Zauberkunst irgendwie sehr selten logisch eingesetzt – siehe dein Beispiel mit der Rose – wo man mehr mit der Faszination Feuer spielt als mit Logik …
    Im Kinderprogramm wird es dann komplett unlogisch – denn das ein Topf innen brennt stand halt irgendwann mal in der Anleitung … und Mann / Frau macht das halt so 😀
    Aber bspw. die Fantasio-Kerzen einzusetzten … Warum denn nicht?

    @Bonbonproduktion:

    Da ich persönlich noch nie ein Freut von Süßigkeiten in einer Zaubershow war, sind es bei mir meist Zauberkekse, die vom Assistenten*in mit meiner Hilfe gebacken werden. Und dabei verstehe ich dein Bedenken 1 – für mich ist das jedoch eine Frage des „Settings“: Denn in meiner Show bin ich ja nicht wirklich der selbst zaubernde Zauberer – sondern das assistierende Kind zaubert und ich helfe „nur“ fasziniert mit. Daher sind die Kekse dann auch nicht wirklich von MIR, sondern wurden von einem Kind gezaubert. Durch dieses Setting bekommen die Kinder dann einen Keks von einem anderen (fremden) Kind und nicht bzw. nur indirekt von mir …
    Bedenken 2 – also das Stürmen der Bühne – bin ich zu 100% bei dir. Nicht umsonst gilt die Bonbonproduktion als gefährlichstes Kunststück der Kinderzauberei, bei dem bisher die meisten Kinder verletzt wurden 🙁
    Aber auch das ist eine Frage des Settings und der Planung und WIE die Kekse verteilt werden – aber möglich.

    @Kinder anfassen:

    Das ist tatsächlich ein absolutes NoGo für mich – ok, zu 99,9%. Denn ähnlich wie beim Feuer in der Show verstehe ich die => Motivation <= hinter diesem Anfassen und Berühren nicht wirklich. Mir hat das noch wirklich niemand erklären können, WARUM ich ein Kind auf der Bühne anfassen muss?!? Denn die beruhigende Hand auf der Schulter ist für mich tatsächlich creepy … denn ich kann ein Kind doch auch zu 100% durch einfühlsames Sprechen beruhigen, Angst nehmen …
    Und warum muss ich ein Kind auf der Bühne „rumschieben“? Einfach einen kleinen Teppich auf den Boden oder ein X mit Klebeband wirkt Wunder. Und warum sollte dann ein „Bitte stell dich hier hin“ nicht reichen?
    Ich verstehe also die Motivation eines Handschüttelns oder eines High5 … aber jenseits dessen kann ich das Berühren von fremden Kindern nicht nachvollziehen.

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