Die Familien-Zaubershow (3)


Für ein erfolgreiches Familienprogramm ist die Trickauswahl – wie beschrieben – von entscheidender Bedeutung. Die Tricks, die dann als Kunststücke vorgeführt werden, müssen sowohl für die anwesenden Kinder als auch für die Erwachsenen im Publikum angemessen sein: Niemand darf sich langweilen oder unterfordert werden, aber es darf auch kein Zuschauer überfordert werden oder den Trickablauf nicht verstehen. Eine Familienshow ist in dieser Hinsicht ein Balanceakt. Wir müssen jeden mitnehmen.

Erfreulicherweise stehen im Fachhandel viele Tricks zur Auswahl, die sowohl für Kinder als auch für Erwachsene eingesetzt werden können. Generell kann man sagen: Nahezu jedes Kunststück ist für jede Altersklasse einsetzbar, es kommt nur darauf an, wie es vorgeführt wird. Zu bevorzugen sind im Familienprogramm allerdings Kunststücke, deren Ablauf auch ohne Worte eindeutig nachvollziehbar ist. Davon gibt es eine reichliche Auswahl.

Die Tuchrakete aka Schwiegermuttertrick aka 20th century silks

Nehmen wir als Beispiel den „Schwiegermutter-Trick“ von Alfred Kellerhof. Dieses Kunststück liebe ich. Der reine Trick-Ablauf gestaltet sich – einfach ausgedrückt – so:

  • Ein rotes und ein blaues Tuch werden miteinander verknotet und in ein Glas gelegt
  • Ein buntes Tuch wird in eine Pappröhre gesteckt.
  • Die Pappröhre wird aufgerollt – das bunte Tuch ist verschwunden.
  • Das rote und das blaue Tuch werden aus dem Glas genommen.
  • Zwischen ihnen ist das bunte Tuch verknotet.

So weit, so einfach. Die Trickabläufe sind also übersichtlich und eindeutig. Wenn ich den Trick ohne Worte so vorführen würde, würden Erwachsene und Kinder den Ablauf verstehen und der Meinung sein, sie hätten etwas Zauberhaftes erlebt. Der Unterhaltungswert insgesamt wäre allerdings nicht so hoch wie mit einem launigen Vortrag – und genau hier liegt die Differenzierungsmöglichkeit zwischen Kinder-, Familien- und Erwachsenenprogramm.

Alfred Kellerhofs Originalvortrag handelt von einem Mann (blau) und einer Frau (rot), die heiraten (Knoten) und eine Hochzeitsreise machen (in das Glas). Nun kommt die neugierige Schwiegermutter (bunt) ins Spiel, die ihnen mit einer Rakete (Pappröhre) folgt und sich plötzlich genau zwischen ihnen befindet (Tuchkette rot-bunt-blau) und somit den Ehefrieden stört.

Insgesamt also eine Geschichte, die Erwachsene gut verstehen und nachvollziehen können, das Kunststück war ein Renner und ist es auch heute noch – Erwachsene haben großen Spaß daran, sie kennen die Szene und erkennen auch die Satire darin. Für das Erwachsenenprogramm ein Highlight.

Kinder hingegen kennen je nach Alter das Wort „Schwiegermutter“ gar nicht erst. Und falls doch, können sie dazu keine weiteren inhaltlichen Verbindungen herstellen, zudem können sie, je nach Entwicklungsstand, bis zum Alter von etwa 10 Jahren keine Satire oder Ironie erkennen – für sie ist das gesprochene Wort wahr oder gelogen, dazwischen gibt es nichts. Und das gesamte Thema „Mann, Frau, Heirat“ ist etwa bis zum Ende der Grundschulzeit für sie ohnehin ein „Iiiih“-Thema, von dem sie noch nichts wissen wollen. Für Kinder muss also der Vortrag komplett geändert werden, dann ist das Kunststück auch für sie unterhaltsam und nachvollziehbar.

Meine Vorführung im Familienprogramm

Ich benutze dafür den folgenden, selbst erdachten Vortrag, mit dem ich das Kunststück im Familienprogramm spiele. Das Kunststück ist immer mein vorletztes, weil ich meine, dann sollte etwas Tolles geschehen. Anschließend folgt noch ein ruhiges Stück zum Ende. Ich kündige an: „Ihr seid ein supertolles Publikum und könnt richtig gut zaubern. Deswegen könnten wir jetzt einmal das schwierigste Kunststück der Welt versuchen. Das hat noch nie geklappt, aber ich glaube, ihr kriegt das hin!“ Das schmeichelt sowohl den Kindern als auch den Erwachsenen, zudem sind sie neugierig.

Ich zögere kurz und ergänze dann: „Das ist allerdings ein bisschen ungefährlich. Wollen wir es trotzdem machen?“ Alle rufen ja, auch wenn nicht alle Kinder den Wortwitz verstehen, er ist quasi ein Service an die Erwachsenen und weiter entwickelten Kinder.

Ich zeige nun das rote und das blaue Tuch und frage: „Wisst ihr, was passiert, wenn man ein rotes und ein blaues Tuch verknotet?“ – Häufige Antwort: „Es wird lila!“, worauf ich entgegne: „Nein, aber ihr hab ein bisschen Recht: Lila wird es, wenn man die Farben vermischt. Wenn man Tücher verknotet, entsteht ein rot-blauer Knoten.“ Ein harmloser Scherz, den auch Erwachsene nicht übelnehmen, falls sie darauf hereingefallen sind. Auch Erwachsene haben Humor und lachen gerne.

„Ich wickle jetzt den Knoten gut in die Tücher ein und lege alles hier in dieses Glas.“ Genau das mache ich auch, die Ansage wäre also eigentlich nicht nötig, aber ich möchte mit den Zuschauern im Gespräch bleiben. „Und jetzt kommt’s. Dieses bunte Tuch“ (ich halte es deutlich hoch) „werden wir jetzt von hier aus in das Glas zwischen das rote und blaue Tuch zaubern.“ Dabei stehe ich an der entferntesten Ecke der Bühne und bleibe da für den Rest der Nummer stehen.

Die Rakete

„Wisst Ihr, wie das gemacht wird?“ Von den Kindern kommen immer einige Vorschläge, manchmal auch von den Erwachsenen. Mein gewünschter ist allerdings nie dabei, darum verrate ich es: „Wir brauchen natürlich eine Rakete!“ Erstauntes Interesse ist die Reaktion aller darauf.

„Zum Glück habe ich eine dabei!“ Mit diesen Worten zeige ich die Pappröhre. Auf der Seite steht in großen Buchstaben „RAKETE“. Ich erkläre für die Zweifler: „Steht ja drauf, dass es eine Rakete ist, dann muss es ja stimmen.“ Diese Logik zweifeln sowohl Kinder als Erwachsene an, aber wir vertiefen das Thema nicht.

Ich erkläre weiter: „Hier oben ist das Cockpit, da steigt das Tuch ein. Und dann schießen wir die Rakete ab. Das ist allerdings ein bisschen ungefährlich – wollen wir es trotzdem machen?“ – Kleiner Running Gag, den auch die Erwachsenen goutieren. Das Tuch wird in die Rakete geladen und wir zählen gemeinsam einen Countdown. Bei „0“ schießen wir die Rakete ab: Die Kinder machen Lärm mit Händen, Füßen und Mund – so laut wie eine Rakete.

Sicher gelandet

Nach einigen Sekunden unterbinde ich den Lärm mit einer Handbewegung. Es wird still und die Rakete wird aufgerollt. Das bunte Tuch ist weg, was sogar bei den Erwachsenen ehrfürchtiges Staunen auslöst. Nun nehme ich den Tuchballen aus dem 3 Meter entfernten Glas, entfalte ihn mit einer großen Bewegung und das bunte Tuch ist zwischen dem blauen und roten aufgeknotet. Riesenjubel – es hat geklappt!

So weit der familiengerechte Ablauf, der von allen nachvollzogen werden kann und allen Spaß macht. Das Kunststück ist bei www.zauberkellerhof.de mit den besten Seidentüchern der Welt und dem Gimmick komplett zu kaufen.

Der feine Unterschied

Zur Unterscheidung noch einige Notizen, wie ich das Kunststück im reinen Erwachsenen- oder Kinderprogramm vorführe. Im Erwachsenenprogramm wird die oben skizzierte Geschichte mit Mann und Frau und Schwiegermutter so erzählt, als ob ich sie selbst erlebt habe. Die Hochzeitsreise geht dann auf die Malediven. Vor dem Abschuss der Rakete – dort mit einer Pyroschnur in der Papprolle – frage ich noch, ob die Zuschauer wissen, wo „Schwiegermutter-Raketen“ abgeschossen werden. „Nein? In Cape Canaveral. Da ist gleich neben der großen Abschussrampe zum Mond noch eine kleine für Schwiegermutter-Raketen.“

Und wenn die Rakete nach dem Abschuss leer vorgezeigt wird, kommt meistens seitens der Zuschauerinnen der lapidare Kommentar: „Weg!“, verbunden mit Klatschen. Was ich mit den Worten kommentiere: „Ja, wir haben uns damals auch sehr gefreut, dass die Schwiegermutter weg war! Aber dann haben wir festgestellt, dass sie dort war, wo wir sie am wenigsten gebrauchen konnten – genau zwischen uns.“ Diese kleine Schlüpfrigkeit mögen Erwachsene – für Kinder ist sie, so wie die gesamte hier geschilderte Geschichte ungeeignet. Sie würden vieles nicht verstehen, sich dementsprechend langweilen und im schlimmsten Falle die Vorführung stören.

Im reinen Kinderprogramm habe ich für die Kinder noch ein paar mehr oder weniger alberne Gags eingebaut, die ich den Erwachsenen nicht zumuten möchte. Das Grundthema ist so, wie ich es ausführlich für das Familienprogramm beschrieben habe, aber zum Beispiel zeige ich anfangs das blaue und das rote Tuch und behaupte, sie seien grün und gelb. Es gibt Proteste: „Rot und blau!“, worauf ich ankündige, dass ich sie dann eben in die gewünschten Farben verzaubern werde. Ich drehe mich einmal um die eigene Achse und zeige dann stolz vor: „Rot und blau, bitte sehr!“ Kinder können darüber lachen, Erwachsene eher nicht.

Außerdem unterbreche in den Coundown immer bei „6“. Im Kinderprogramm fordere ich dann die Kinder auf, ihre Helme aufzusetzen. Das tun die auch immer sofort, sie ziehen ohne zu zögern die unsichtbaren Helme über ihre Ohren. Das ist von Erwachsenen nicht wirklich zu verlangen…

Schlusswort

Ich denke, ich konnte mit dieser Darstellung deutlich machen, wie ein Erwachsenen-Kunststück durch kleine oder größere Umbauarbeiten im Vortrag zu einem geeigneten Familienkunststück umfunktioniert werden kann. Letztlich kommt es darauf an, die Vorführung auf das einfache und wesentlich zu konzentrieren und den Vortrag so anzupassen, dass er für Kinder und Erwachsene unterhaltsam ist.

Das ist einfacher als es scheint, denn im normalen Alltag unterhalten sich täglich auch Kinder und Erwachsene. Sie haben einen gemeinsamen Wortschatz und ein gemeinsames Wissen – und das gilt es zu benutzen. Es müssen also nur die ganz spezielle Redewendungen, Gedanken und Unterhaltungs-Bausteine weggelassen werden, die altersspezifisch nur zu einer der beiden Gruppen passen oder nur dieser bekannt sind.

Nach diesem Prinzip ist in der Tat wirklich fast jedes Kunststück für jede Altersgruppe oder eben im Familienprogramm einsetzbar. Weitere Beispiele dafür stelle ich später vor.

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