Der feine Unterschied (2)

Ulrich Rausch

Verantwortlich Zauberkunststücke erklären

Nachdem ich im ersten Teil einige Aspekte der Erklärungs“offensive“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz schlaglichtartig beleuchtet hatte, möchte ich in diesem zweiten, abschließenden Teil auf den „feinen Unterschied“ eingehen.

Inzwischen ist auf verschiedenen sozialen Medien die Diskussion immer weitergeführt worden und es gibt viele Punkte, die mich reizen einen eigenen Gedanken beizusteuern. Ich verkneife es mir aber, auch damit der eigentliche Zielpunkt dieses Artikels nicht in den Hintergrund gerät.

Aber zu einem Thema möchte ich doch noch etwas sagen: In einem FB-Beitrag hat der Kandidat für den Posten des Vize-Präsidenten des MZvD, Prof. Schmitz, geschrieben, dass „geschützte Tricks“ nicht in der Öffentlichkeit verraten werden dürfen. Auf meine öffentliche Rückfrage, was denn diese „geschützten Tricks“ sein sollen, gab es bis jetzt keine Antwort. Und – um ehrlich zu sein – es kann auch gar keine Antwort geben.

Das Konstrukt des „geschützten Tricks“ ist in meinen Augen einfach nur grober Unfug. Es suggeriert, dass man unterscheiden könne, dass einige Sachen erklärt werden dürfen, andere dagegen tabu sind. Aber gibt es wirklich objektive Kriterien für diese Unterscheidung? Nein! Das Alter eines Tricks, eines Prinzips kann es nicht sein, denn auch und gerade mit vermeintlich alten Prinzipien kann man auch heute noch Zuschauer verblüffen.

Dass es einen Autor / Urheber gibt, der sich die Sache ausgedacht hat, kann es auch nicht sein, denn jeder Trick, jede Technik, jede Routine wurde von einem Menschen erdacht, auch wenn ich dessen Namen nicht kenne. Auch die Einfachheit oder Komplexität einer Technik, eines Effekts kann es kaum sein. Ich könnte die Liste der vermeintlichen Unterscheidungskriterien noch nahezu endlos fortsetzen, aber mir ist keiner begegnet der sich letztlich als tragfähig erwiesen hat. Aber vielleicht hat ja jemand noch eine Idee?

Das Geständnis

In einem Kommentar wurde ich gefragt, was für ein Interesse ich an diesem Thema habe, wenn ich doch gar kein MZvD-Vereinsmitglied wäre? Zum einen kann man die Zauberkunst auch lieben und sich damit beschäftigen, wenn man kein Mitglied in irgendeinem Verein ist. Zum anderen habe ich seit 1989 Zauberkurse geleitet: In der ersten Hessischen Jugend-Kunst-Schule, in Familienbildungswerken und als Fortbildungsveranstaltung für Lehrer und Therapeuten usw. Darüber hinaus habe ich nicht nur für Zauberkünstler publiziert, sondern auch in einem Publikumsverlag ein Fachbuch für Lehrer zu diesem Thema veröffentlicht. Und ich habe einen kleinen Zauberkasten, der sogar in Bahnhofsbuchhandlungen verkauft wird, herausgebracht. Kurz: Ich mache mir seit langem Gedanken über die Frage, was ich verantwortungsvoll verraten kann und was nicht.

Der feine Unterschied

Erkläre ich Tricks oder verrate ich Tricks? Auf den ersten Blick scheint dies nur ein Unterschied auf der sprachlichen Ebene zu sein, denn in beiden Fällen geht es darum, dass ein Geheimnis einem Unwissenden offenbart wird. Aber es gibt doch einen großen inhaltlichen Unterschied: Der Verrat zielt ausschließlich darauf ab, das Geheimnis offen zu legen, während das Erklären das Ziel hat, jemandem etwas beizubringen, damit er dies selbstständig und erfolgreich vorführen kann.

Auf den ersten Blick klingt dies einfach, aber Achtung, auch eine Erklärung kann ganz schnell zum puren Verrat werden. Es reicht nämlich nicht nur aus, dass man als Intention angibt etwas beibringen zu wollen (dies sagen alle Verräter), sondern in jedem einzelnen Schritt muss daran gedacht werden, dass die Zauberschüler*innen damit zu 100% in die Lage versetzt werden, den Effekt zu erlernen.

Auswahl der Gegenstände

Das fängt schon mit der Auswahl der Gegenstände an: Ist der Gegenstand dazu geeignet, von den Lehrlingen perfekt gehandhabt zu werden? Gerade wenn man mit Kindern zaubert, ist dies ein großes Problem. Kinder sind sowohl körperlich wie auch mit ihren Fähigkeiten am Wachsen. Auch wenn sie das gleiche Alter haben, können sie doch sehr unterschiedlich weit entwickelt sein. Beispielsweise allein die Größe der Hände und die Fähigkeiten damit umzugehen habe ich selber gelegentlich als herausfordernd erlebt.

Laut Kartonaufdruck („Inhalt des Zauberkastens“) befindet sich in dem neusten Zauberkasten der Ehrlich Brothers ein „geheimer Daumenschreiber“ (Quelle : Ehrlich Brothers Zauberkasten Mental Magic Kinder Zaubertricks Zauberschule | eBay). Bei einem Kasten, der ab 7 Jahre empfohlen wird, finde ich das nicht nur grenzwertig, sondern als eindeutigen TrickVERRAT. Ein Daumenschreiber muss gut sitzen, damit man damit arbeiten kann! Wie soll denn ein Daumenschreiber aussehen, damit er bei jedem Kind „ab 7 Jahre“ perfekt sitzt? Und dann ist das Schreiben damit ziemlich schwierig und braucht viel Übung. In meinen Augen ist das unmöglich.

Fehlerfreie Requisiten

Außerdem sollten die Requisiten fehlerfrei funktionieren. Hier noch kurz zwei Kundenkommentare zu dem oben genannten Zauberkasten der Ehrlich Brothers:

„Rezension aus Deutschland vom 5. Dezember 2020

Verifizierter Kauf

Mangelhaft! Bei 2 von 5 getesteten Tricks ist die gedruckte Beschreibung / Anleitung fehlerhaft! Bei den ESP Karten ist es die DRITTE statt der zweiten! Naja, nicht das erste Produkt von Clementoni, das nix taugt!

Rezension aus Deutschland vom 9. Dezember 2020

Verifizierter Kauf

Beim Zaubertrick Nr.9 ist die Beschreibung fehlerhaft. Beim Zaubertrick Nr. 23 sind die Karten der magischen Augen falsch bedruckt. Somit kann man diesen Trick nicht vorführen.“

(Quelle: Clementoni 59182 Ehrlich Brothers Mental Magic, Zauberkasten für Kinder ab 7 Jahren, magische Anleitung für verblüffende Zaubertricks, inkl. 3D Erklärvideos: Amazon.de: Spielzeug)

Komplette und korrekte Anleitung

Und der erste Kundenkommentar zeigt den zweiten Schritt an, an dem sich unterscheidet, ob es eine Erklärung oder doch nur Verrat ist: Die Anleitung muss komplett und korrekt sein, damit man damit den Trick erlernen kann. Und gerade für Zauberkünstler*innen ist es meist gar nicht so einfach, sich in Anfänger hineinzuversetzen und dementsprechend eine Erklärung zu gestalten. Wir setzen einfach zu viel voraus, was für die Lehrlinge nicht selbstverständlich ist. Und selbst bei Zauberkästen, die von Zauberclubs empfohlen wurden, gibt es Fehler in den Texten und Video-Anleitungen. So ist der Kompass-Trick in allen mir bekannten Zauberkästen nach den dort beigelegten Anleitungen für Anfänger kaum lernbar.

Übrigens: Die Ehrlich Brothers geben auf dem neuen Zauberkasten als Copyright an, dass sie dieses für Text, Fotos und Videos inne haben. Sie können deshalb evtl. Fehler auch nicht auf den Verlag abschieben sondern, müssen die sich selber zurechnen lassen.

Das bühnenreife Einstudieren ermöglichen

Und wenn bei diesen beiden Stufen der schmale Grat zwischen Verraten und Erklären erfolgreich gemeistert wurde, kommt jetzt die dritte nicht minder gewichtige: Das „bühnenreife“ Einstudieren des Tricks. Dabei geht es darum, den Zauberschüler*innen alles Notwendige an die Hand zu geben, damit sie auch vor Publikum das Kunststück erfolgreich vorführen können. Dazu gehören Fragen, wie man die Requisiten vorbereitet, wie man auf die „Bühne“ geht, wie man mit dem Publikum interagiert, was man macht, wenn etwas schief geht usw.

Ich kann jetzt nicht alle Punkte, die mir wichtig erscheinen, hier besprechen, aber ich hoffe dass ich damit einen Weg zur Unterscheidung der Geister aufgezeigt habe. Und auch, dass jeder, der mit dem Gedanken spielt, Zauberkurse, egal ob online oder offline, anzubieten, sich viele tiefer gehende Gedanken machen sollte, als man dies auf den ersten Blick vermuten würde.

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