Rezension: Kid-stick von Boretti

Das gibt es:

Seit kurzem ist der „Kid-stick“ von Boretti auf dem Markt, erhältlich für 44,50 € bei https://boretti-shop.info/Borettis-Kid-Stick. Auf dem Stick befinden sich 12 komplette Kinderprogramme von Boretti inklusive einer pdf-Datei, in der minutengenau die Programmpunkte aufgelistet sind. Außerdem ein ca. einstündiges Interview, dass Joshua Endreß mit Boretti geführt hat und ein Seminar von Boretti aus dem Jahr 1995, das er damals beim Kleinkongress Gristede gehalten hat.

Laut Werbeansage ist das „im Grunde genommen das Lebenswerk von Boretti“ , auf dem „USB-Stick mit 16 GB (!) ist das Ergebnis der fast 13.000 Vorstellungen von Boretti gespeichert.“ (Werbetext auf www.boretti-shop.info“)

Hört sich gut an, habe ich gekauft und inzwischen fast komplett angesehen. Hier ist meine Meinung dazu:

Meine Meinung

In der Tat finden wir auf dem Stick das Lebenswerk eines verdienten Zauberkünstlers, der mit Liebe und Herzblut Zaubershows für Kinder gespielt hat. Das wird auch in seinen Aussagen im Interview mit Joshua Endreß deutlich, in dem Boretti offen über seine Erfahrungen spricht. Das sowohl in Bezug auf die Zauberkunst für Kinder, aber auch in Bezug auf seine Werbemaßnahmen. Er betont, dass er kaum Mailing-Werbung gemacht hat, sondern persönlich in die Einrichtungen gegangen ist. Einmal am Jahresanfang und einmal nach den Sommerferien, dann war das Auftragsbuch voll für die kommenden Monate. Und auch offen in Bezug auf Honorar: Immer pro Kind, zuletzt 4,00 €, und manchmal hat auch der Elternverein gezahlt, dann hat man eben auch mal für 300 € gespielt.

Sehr locker, sehr realistisch und sympathisch ehrlich. Boretti kommt in dem Interview authentisch ohne Starallüren herüber, aber mit sichtbarer Zufriedenheit und auch etwas Stolz auf seine jahrzehntelange erfolgreiche Karriere.

158 Tricks auf dem Stick

Auf dem Stick ist eine riesige Sammlung von Kunststücken, die Boretti in seinen Themenshows vorführt. In den 12 Vorstellungen gibt es 158 vorgeführte Kunststücke, einige davon wiederholen sich natürlich in unterschiedlichen Programmen. Trotzdem: eine große, interessante Sammlung, die viele Anregungen für eigene Vorstellungen und Ideen gibt. Und bei denen man sieht, dass sie bei den Kindern sehr gut ankommen – die Stimmung ist in den Vorstellungen sehr gut. Man kann also einige Programm(punkt)e direkt nachspielen, falls man die Requisiten hat, oder eben ändern oder erweitern. Boretti sagt jedenfalls im Interview, dass es ihm recht wäre, wenn seine Programme so nachgespielt würden.

Als Käufer des Sticks erhält man also eine Sammlung von mehr als 150 Tricks, alle live vorgeführt. Ein wunderschönes  Kompendium zum Lebenswerk eines erfolgreichen Kinder-Zauberers, dessen Karriere sich über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten erstreckt hat.

Vorsicht, Stolperfallen!

Aber in dieser positiven Tatsache liegen auch ein paar Stolperfallen für den praktischen Nutzen des Sticks, wie ich meine. Die Programme sind, wie Boretti in dem Interview sagt, in den 1970er und 1980er Jahren entstanden und in den Grundzügen so geblieben. Natürlich wurde immer mal etwas ausgetauscht und umgeändert, aber nicht grundlegend. Die Aufnahmen stammen aus den Jahren 2000 – 2009, eine aus 2013. Und anders als Boretti es im Interview einschätzt, haben sich meiner Meinung nach Kinder in dieser Zeit erheblich verändert. Sie sind kritischer, selbstbewusster und empfindlicher geworden. (Ich habe in dem gleichen Zeitraum 1970 – heute beruflich und „nebenbei“ mit Kindern gearbeitet und meine daher, das einschätzen zu können).

Insofern sind manche Requisiten und manche Verhaltensweisen den Kindern gegenüber, die in den Vorstellungen zu sehen sind, heute nicht mehr zeitgemäß. So spricht er z.B. von der „Bundesbahn“, redet Mädchen mit „Fräulein“ an oder macht Dampflok-Geräusche – Dinge. Die waren1980 üblich, aber zu denen besteht heute kein Bezug mehr. Man muss also die Trickvorführung kritisch überprüfen und auf heutige Verhältnisse aktualisieren.

Manches ist nicht zeitgemäß

Ebenfalls nicht zeitgemäß finde ich des öfteren der Umgang Borettis mit den Kindern auf der Bühne. Er benutzt sie überwiegend zur Dekoration und als Assistenten: Die Kinder halten die Ringe beim Ringspiel, verbunden mit dem lapidaren Satz: „Mach die schon mal auseinander“. Wobei sich – mit Verlaub – das Kind nur blamieren kann, weil es natürlich die 3er-Kette nicht lösen kann. Genauso wenig wie der Zauberer. Oder beim Clippo Papierzerschneiden besteht die einzige Aufgabe des Kindes auf der Bühne darin, den umgedrehten „chinesischen“ Hut zu halten, damit die Papierschnipsel nicht auf den Boden fallen. Dafür hätte auch ein Papierkorb genügt…

Hüte werden den Kindern ohne zu fragen aufgesetzt, ein Ring verschwindet aus dem Tuch, das ein Kind festhält, der Zauberer findet den Ring in der 7-fachen Box wieder. Kind steht schlecht da, Zauberer gut. Oder Boretti fasst einen Jungen am rechten Ellenbogen und hebt mehrfach nacheinander so den Unterarm des Kindes, um ihm mit einem fröhlichen „Guten Tag, Stefan!“ mehrfach die Hand zu schütteln.

Diesen Umgang mit Kindern (der mit weiteren Beispielen fortgeführt werden könnte) halte ich nicht für zeitgemäß. Das konnte man in den 1980er noch bedenkenlos tun, habe ich zum Teil auch gemacht, aber die Zeiten und die Kinder(rechte) haben sich gewandelt.

Fazit

So komme ich also zu meinem Fazit: Der Kid-Stick ist zwar aus zeitgeschichtlicher Sicht und um das Lebenswerk eines großen Kinder-Zauberers zu ehren hervorragend und er bietet eine umfangreiche Bibliothek von Zaubertricks für Kinder, die Boretti gekonnt vorführt.

Als Modell für heutige Zaubershows für Kinder ist der Stick aber nur bedingt nutzbar. Jedes Kunststück muss in Bezug auf die Vorführart kritisch betrachtet und auf die heutigen Bedingungen übertragen werden.

Meine Gesamtwertung daher: 3,5 von 5 Zauberzwergen

PS: Eine Rezension zu dem Seminar auf dem Stick folgt noch gesondert. Es ist mir bisher nicht gelungen, die mp4-Datei zu öffnen und sie anzusehen… 🙁

One thought on “Rezension: Kid-stick von Boretti

  1. Ich habe den Stick auch, finde ihn sehr gut, aber man muss natürlich die Kunststücke schon auf sich zuschneiden und nicht einfach nachmachen. ( sollte man ja immer tun)
    Wie man mit Kindern auf der Bühne umgeht, dass kommt auch sehr stark auf die Situation und das Kind darauf an. Manche Gags kann man auch so bringen, aber es gibt ja auch wahnsinnig unterschiedliche Kinder und dieses Fingerspitzengefühl muss ein Kinderzauberer haben. Also den Stick dafür benutzen, dass man eine Idee bekommt und für sich selber das Beste daraus macht.
    Gruß
    Manfred

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