Die „4 großen R“

In einer Zaubervorstellung kommen viele Personen, Kinder und Erwachsene, zusammen. Wo immer das der Fall ist, sind bestimmte Regeln hilfreich, um den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung zu sichern und sie für alle so angenehm wie möglich zu machen. Aber wie mache ich das?

Der Umgang mit anderen Menschen lässt sich für unsere Zwecke auf vier einfache Schlagworte – die „4 großen R“ – reduzieren. Wenn man diese versteht und sich nach ihnen verhält, wird ein positives soziales Klima geschaffen, in dem man produktiv mit seiner Umwelt kommunizieren. Natürlich umso mehr, wenn alle Beteiligten sie beherzigen.

Ich habe diese „4 großen R“ in meiner letzten Grundschulklasse eingeführt und zur Erinnerung danach ständig ein großes goldenes R auf meinem Lehrertisch stehen gehabt. Man mag es glauben oder nicht, aber seit diesem Zeitpunkt waren Streitigkeiten und Undiszipliniertheiten absolute Ausnahmen und es herrschte über mehrere Schuljahre ein entspanntes, positives Klima in der Klasse. Was allerdings auch nur klappt, wenn man die Umsetzung der vier großen R nicht nur von Kindern erwartet, sondern sie auch selbst vorlebt.

Womit wir wieder auf der Zauberbühne sind, wo diese Grundeinstellung auch sehr hilfreich ist. Mein Verhalten als Zauberkünstler beeinflusst das Verhalten der Kinder im Publikum. Ich bekomme von Kindern umgehend mein Benehmen zurück gespiegelt. Und so liegt es also an mir, wie sich das Kinderpublikum in meine Vorstellung einbringt, ob wir Spaß haben oder ob wir Konkurrenz und Stress haben. Halte ich die 4 großen R ein, tun es die Kinder auch.

Und hier sind sie nun, die mehrfach erwähnten „4 großen R“:

Respekt – Ruhe – Regeln – Rücksicht

Was ist damit konkret gemeint? Wenn das Prinzip funktionieren soll, ist es notwendig, dass möglichst alle dasselbe unter diesen Begriffen und deren Handlungsumsetzungen verstehen.

Respekt

bedeutet, dass ich mein Gegenüber genauso akzeptiere, wie er*sie ist. Kein Mensch ist vollkommen, jede*r hat irgendeine mehr oder weniger kleine Macke. Die muss ihm zugestanden werden, so lange sie niemand anderem schadet, mit ihr muss man leben und sie akzeptieren. Über Aussehen, Religion, Herkunft, gesundheitliche Handicaps und ähnliche Dinge gibt es schon einmal überhaupt nichts zu sagen, zu kommentieren oder zu diskutieren. Mensch ist Mensch und fertig!

Noch einmal: Respekt meint, sein Gegenüber genauso zu akzeptieren, wie er*sie ist. Das heißt nicht, dass ich mit jeder Handlung einverstanden sein muss, selbstverständlich kann ich anderer Meinung sein und das auch sagen. Aber ich muss absolut trennen zwischen Person und Handlung. Was in der Praxis auch genauso gesagt werden kann: „Ich finde dich sehr nett, aber dass du hier durch die Vorstellung redest, finde ich nicht okay! Das stört.“

Ruhe

hat in diesem Zusammenhang eine doppelte Bedeutung. Zum einen meint sie natürlich Ruhe im Sinne von Lautstärke und störendem Reden, die beide während einer Zaubervorstellung nicht erwünscht sind, weil sie stören.

Ruhe bedeutet aber noch viel mehr, dass wir alles, was wir tun, in Ruhe und Gelassenheit machen. Keine Hektik, keine Panik, keinen Stress, immer mit der Ruhe. Wenn etwas gelingt, freuen wir uns kräftig darüber, wenn aber etwas misslingt, ist das auch nicht schlimm und kein Grund für Streit und Vorwürfe. Dann probieren wir es eben noch einmal, notfalls anders oder mit Unterstützung.

Fehler gehören zum Leben dazu, aus Fehlern lernen wir. Und daher darf der Zauberkünstler genauso etwas falsch machen, wie das mitzaubernde Kind auf der Bühne oder Kinder im Publikum. Ein eventuell auftretender Fehler wird ohne Vorwürfe korrigiert, man hilft sich gegenseitig und die Show geht stressfrei weiter.

Regeln

Im sozialen Zusammenleben gibt es Regeln, deren Beachtung dazu führt, dass sich alle Personen wohl fühlen können. Deswegen ist ihre Einhaltung notwendig. Im großen gesellschaftlichen Zusammenhang genauso wie in einer Zaubervorstellung. Das ist auch Kindern im Schulalter bewusst und generell halten sie sich daran, manchmal müssen sie eben auch (genau wie ich selbst in meinem hohen Alter) daran erinnert werden.

Für meine Zaubervorstellung gelten folgende Regeln:

  • Auf die Bühne darf nur ein Kind, dem ich es erlaubt habe, weil es dort sonst zu voll und unübersichtlich wird
  • Die Kinder sitzen im Publikum, denn wenn sie aufstehen, können ja die anderen nichts sehen
  • Meine Requisiten dürfen nur mit meiner Erlaubnis angefasst werden, weil sie mir teuer und wertvoll sind. Ich fasse Dinge der Kinder auch nicht einfach an ohne vorher zu fragen.
  • Zauberer und Kinder reden freundlich miteinander

Diese Regeln werden nicht vor der Vorstellung abgesprochen, sondern ich setze sie einfach als bekannt voraus. Aber ich setze sie während der Vorstellung durch, wenn sie missachtet werden. D.h. ich spreche das Kind, das gegen eine Regel verstößt, freundlich an, sage ihm, was es gerade falsch macht und sage ihm auch, warum das nicht geht. Kein Verbot sollte ohne Begründung ausgesprochen werden, denn die Erläuterung hilft dem Kind, zu verstehen, warum die Einhaltung wichtig ist und es akzeptiert sie dann leichter.

Rücksicht

bedeutet weitgehend die Regeln einzuhalten, denn die Regeln dienen ja eben genau dazu, dass gemeinsame Miteinander problemlos zu gestalten und auf andere Menschen Rücksicht zu nehmen. Aber manchmal ist doppelt gemoppelt besser als zu einfach gestrickt.

Rücksicht bedeutet auch sich gegenseitig zu helfen. Im Zuschauerraum, wenn jemand nichts sehen kann, mal einen Stuhl anders hinzustellen. Auch mal eine Minute die Vorstellung zu unterbrechen, wenn ein Kind dringend zur Toilette gehen muss oder ein Glas Cola umgekippt ist oder dem Kind auf der Bühne unaufdringlich bei einem Knoten zu helfen, den es doch nicht alleine hinbekommt.

Fazit

Die Einhaltung der „4 großen R“ hilft uns, eine entspannte Atmosphäre für die Zaubervorstellung zu schaffen. Wenn das Programm dann auch noch so aufgebaut ist, dass die Erwartungen der Kinder umgesetzt werden, wir also Rücksicht auf sie nehmen, steht einem tollen Erlebnis für alle Beteiligten nichts mehr im Wege.

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Der Text ist leicht verändert meinem Buch „Kinder zaubern mit“ entnommen.

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